Haupt-Reiter
Seiten, die auf Die fürchterlichen Fünf verweisen
Nach dem gleichnamigen Bilderbuch von Wolf Erlbruch
Für die Bühne bearbeitet von allen am Stück Beteiligten
Regie:
Ted Keijser
Bühne:
Laura de Josselin de Jong
Kostüme:
Dorien de Jonge
Musik:
Toni Matheis
Es spielen:
Silke Nikowski, Lisa Huber, Ercan Karacayli, Christof Thiemann, Michael Vogtmann
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Die Geschichte
Begonnen hat alles mit einem Bilderbuch von Wolf Erlbruch: DIE FÜRCHTERLICHEN FÜNF. Darin erzählt der inzwischen sehr populäre Zeichner, Graphiker und Autor der Geschichte von fünf Tieren, die allgemein als hässlich gelten: Spinne, Kröte, Ratte, Fledermaus und Hyäne. Womit schon die erste Frage aufgeworfen ist. Wer bestimmt eigentlich, wer schön und wer hässlich ist?
Jedenfalls leiden alle fünf unter ihrem Aussehen. „Die Kröte glotze glasig aus ihren Quittegelben Augen in die Nacht. Im fahlen Licht des Mondes sah sie noch elender und blasser aus als bei Sonnenschein. Sie betrachtete trübsinnig die dicken Warzen auf ihren Wangen in einer Spiegelscherbe und fühlte sich einfach fürchterlich.“
So beginnt die Geschichte bei Erlbruch. Jede Figur findet sich selber abstoßend. „Sieh uns doch an. Glaubst du, es ist lustig, wenn alle anderen dich nur hänseln und eklig finden?“ fragt die Ratte einmal. Jeder findet sich selbst hässlich und reagiert mit Hässlichkeit auf die anderen.
Die einzige Freude besteht darin, sich gegenseitig weh zu tun, die Eigenheiten des anderen als Ekelhaftigkeiten vorzuführen und als Zielscheibe für Hohn und Spott zu nutzen. Auf jede Verletzung kann nur noch mit Beleidigtsein oder Selbstmitleid reagiert werden. Gefangen in ihren Vorurteilen leiden sie zu Viert am Leben. Weglaufen wäre auch keine Lösung. Man bliebe allein mit der eigenen Galligkeit. So sitzt man zusammen unter einem Brückenbogen und traktiert sich gegenseitig. Eine Insel der Trostlosigkeit.
Bis die Hyäne auftaucht. Auch sie ist nicht gerade jemand, die die Normen für einen Schönheitswettbewerb erfüllt.
Aber sie hat eine unerhörte Lebensphilosophie: „Ob andere meinen, man sei hässlich oder schön ist vollkommen unwichtig. Was zählt, sind Taten! Man muß was tun! Für sich – und für die anderen!“ verkündet sie feierlich und tritt auch sofort den Beweis an.
Sie holt ihr kleines blinkendes Instrument aus ihrer Jackentasche und beginnt darauf zu spielen. Sogleich sind alle ganz hingerissen von der Musik der Hyäne.
„War doch nett, oder?“ Die Hyäne macht eine Pause und blickt freundlich hinter ihren grünen Brillengläsern hervor, „und sicher habt ihr gerade alle vergessen, dass ich eigentlich auch ziemlich hässlich bin, oder?“ Und wirklich, während die Hyäne so wunderbar gespielt hatte, war sie den anderen immer sympathischer geworden. Die Ratte hatte verstanden. Zaghaft, aber mit einem kleinen Lächeln, holte sie aus ihrer tiefen Manteltasche eine kleine Ukulele hervor und begann ein Liedchen zu zupfen.
Die meisten Kinderbücher würden an dieser Stelle enden und die Leser mit der richtigen aber zu einfachen Moral der Hyäne zurücklassen. Und jedes Kind würde wissen, dass dies zwar die Moral von der Geschicht' ist. Mit dem richtigen Leben allerdings hat das nicht viel zu tun. Das ist komplizierter, gefährlicher, hindernisreicher, aber auch vielfarbiger und abenteuerlicher als die einfache Handlungsanleitung „Was zählt, sind Taten.“
Und weil Wolf Erlbruch das weiß, hört seine Geschichte an dieser Stelle nicht auf. Viel Engagement und Begeisterung können nicht verhindern, dass Rückschläge gemeistert und Selbstzweifel überwunden werden müssen. Zuversicht und Selbstvertrauen werden auf die Probe gestellt, Verunsicherung droht. „Ich versuche, den Kindern Dinge zu zeigen, die durchaus erreichbare Dinge sind“, sagt Erlbruch und deshalb gelingt es den Fünfen am Schluß, mit allen Tieren gemeinsam ein großes Fest zu feiern.
Ende
wie man aussieht
und wie man ist
und ob man so ist
wie man aussieht
oder ganz anders
ist das denn wichtig
Schön
schöner
die Schönste im Land
hässlich<
fürchterlich
stolz
selbstbewusst
prachtvoll
eigen sinnig
einzel gängerisch
Anders
anders als andere
anders als alle anderen
Mitmachen
nicht mitmachen können
so gerne wollen
und doch nicht können
doch
sie können
die fürchterlichen Fünf
und alle anderen auch
Das Bilderbuch
Das Bilderbuch besteht aus 25 Tableaus mit jeweils ein paar Zeilen Text. Jede Figur hat auf jeder Seite eine eigene Geschichte, die nicht nur die Illustration des im Text beschriebenen Vorgangs entsteht, sondern durch die Komposition von Bildausschnitten, Perspektiven, Farbe und Formen. „Und niemand – wohlgemerkt: niemand – zieht seinen Figuren so originelle und wildgemusterte Hosen an, steckt sie in so ungemein schöne Mäntel – was beileibe nicht modische Mäntel heißt -, setzt ihnen so typenbildende Mützen und Hüte auf den Kopf, daß am Ende ganz unverkennbare, einmalige Charaktere entstehen“ (DIE ZEIT).
Auf diese Weise werden Wesen und Stimmungen beschrieben, aber auch die Konflikte untereinander.
Es entstehen wunderschöne Bilder, die aber nur begrenzt Material darstellen, aus dem Theater entstehen kann. Ein Bilderbuch „wirkt“ nach ganz anderen Gesetzen als Theater. Man kann jedes Bild beliebig lange betrachten. Man kann jedem einzelnen Detail so viel Aufmerksamkeit schenken wie man möchte. Und erst wenn man das tut, erkennt man, daß die Kröte, wenn sie in Selbstmitleid versinkt, ein Auge nach oben dreht, während das andere weiter geradeaus schaut. Die unverwechselbaren Figuren, von denen der Autor und Illustrator erzählt leben von solchen Feinheiten. Auf der Bühne können sie nicht wirken.
Eine andere Frage war das optische Bild der Inszenierung. Die Handschrift Wolf Erlbruchs nachzumachen, indem man Schauspieler in möglichst werkgetreue Masken und wildgemusterte Hosen steckte, ergäbe nur Lafferei. Wir mussten einen eigenständigen Weg finden, um die Geschichte für das Theater zu transportieren.
Ein Zoobesuch
Ganz schnell hatten wir uns darauf verständigt, daß wir in unserer Bühnenbearbeitung Menschen zeigen wollten, Menschen mit den Eigenschaften der jeweiligen Tiere; also eine krötige Frau, einen rattigen Kerl, einen gspinnerten Mann. Man könnte sagen, die Figuren sind Mensch und Tier zugleich.
Der Zuschauer sollte das Gefühl bekommen, in einen Käfig voller seltsamer Gestalten zu schauen, deren eigenartiges Verhalten man wie unter einem Brennglas beobachtet.
Es sollte sein wie bei einem Zoobesuch. Die wenigsten Menschen gehen in den Tierpark aus rein wissenschaftlichem Interesse an den Tieren. Das Vergnügen beim Beobachten der Tiere entsteht für die meisten daraus, daß man ein Verhalten der Tiere beobachten kann, welches man nicht deuten, aber als „menschlich“ interpretieren kann. Welche Beziehung haben die beiden Elefanten, die nebeneinander stehen und im gleichen Rhythmus den Rüssel hin- und herbewegen? Man weiß es nicht, aber mit der menschlichen Erfahrung kann man diesem Verhalten eine Bedeutung geben, die es für die Elefanten selbstverständlich gar nicht hat.
Zum einen haben wir uns mit der Biologie der fünf fürchterlichen Tiere beschäftigt und ihre Schönheit und Eigenartigkeit entdeckt: Spinnen zum Beispiel, umwickeln Insekten, die sie als Vorrat speichern wollen, blitzschnell mit einem dichten, festen Fadengespinst. Beim Fressen lassen sie einen Verdauungssaft aus dem Mund in das Opfer eintreten, der dessen Weichteile auflöst, und saugt dann die verflüssigte Nahrung ein. Diese Tatsache hat den Spinnen-Darsteller dazu inspiriert, seinem spinnigen Menschen den Tick zu geben, alles, was ihm lieb ist, mit Klebeband umwickeln zu müssen – selbst wenn es sich um die angebetete Frau handelt.
Gleichzeitig haben die Schauspieler zusammen mit dem Regisseur Episoden entwickelt, kleine Begegnungen und Geschichten, anhand derer die von Erlbruch vorgegebenen Situationen erzählt werden können. Da die Figuren Tier und Mensch in einem sind, ist ihr Verhalten nicht menschlich logisch aufgebaut, sondern animalisch direkt, impulsiv und dadurch skurril. Und doch haben die Geschichten einen hohen Wiedererkennungswert. Kampf ums Essen, Ablehnung des unbekannten, Langeweile, Ausgelachtwerden, nicht akzeptierte Freundschaftsangebote, all das hat jeder schon einmal am eigenen Leib erleben müssen.
Theater - Spielen
Die Geschichte ist ernsthaft, die Formen in der sie erzählt wird, sehr spielerisch. Die Bühnenbildnerin Laura de Josselin de Jong verwendet meist Alltags-Gegenstände, die sie anders als auf die normalerweise gebräuchliche Art einsetzt. Für DIE FÜRCHTERLICHEN FÜNF hat sie eine Käfig-Arena gebaut mit einigen Stühlen und sehr viel unterschiedlichem pastellzartem Plastikgeschirr. Daraus entsteht für jedes Tier sein spezifisches Nest, aber, wenn es sein muß, auch ein Klo mit echter Wasserspülung.
Die Kostüme von Dorien de Jonge setzen die tierischen Spezifika in menschliche Kostüme um. So trägt die Ratte einen Frack aus Strupp-Pelz, während der Saum des Fledermaus-Kleides die Form der Flügel nachzeichnet.
Bühnenbild und Kostüme standen vor Probenbeginn fest, Szenen oder Dialoge gab es nicht. Das ganze Stück, so wie es nun in der Schauburg steht, entwickelte sich als Team-Arbeit zwischen allen an der Arbeit Beteiligten. Entstanden ist eine Geschichte, die Platz lässt für die eigene Phantasie, zum Weiterspinnen, die mit sehr viel Musik und wenig Text davon erzählt, dass manch einer ganz anders ist als er aussieht.