Haupt-Reiter
Seiten, die auf Über Morgen verweisen
Deutsch von Uwe Dethier
Regie
Peer Boysen
Bühne und Kostüme
Ilona Lenk
Musik
Toni Matheis
Puppenspiel
Meisi von der Sonnau, Panos Papageorgiou
Puppenbau
Beniamin Sovetov
Dolmetscher
Pjotr Gurin
Es spielen
Silke Nikowski, Corinna Beilharz, Meisi von der Sonnau, Panos Papageorgiou
Nächste Termine
Roel Adam
Geboren 1953 in den Haag. 1972-76 Ausbildung an der Acedemie voor Ekspressie in Utrecht. 1975 Mitbegründer einer eigenen Theatergruppe, bei der er bis 1983 als Schauspieler, Regisseur und Autor mitarbeitete.
Seit 1990 künstlerischer Berater des Theaters Huis aan de Amstel in Amsterdam. Lebt in Amsterdam. „Over Morgen“ entstand 1989 für die Gruppe Teneeter in Nijmegen.
Ilona Lenk
Geboren 1964 in Stuttgart, Studium der Politikwissenschaft und Germanistik, Schauspielschule, arbeitet als Bühnenbildnerin in Freiburg und am Zimmertheater in Tübingen sowie für die freie Szene (u.a. Théâtre du Pain in Bremen), Rauminstallationen im Grenzbereich von Theater und bildender Kunst; Malerin.
Peer Boysen
Geboren 1957 in Bochum, nach dem Abitur Ersatzdienst. 1979 Bühnenbild-Assistenz in Nürnberg, Wien, Residenztheater München, Münchner Kammerspiele, anschließend Hausbühnenbildner in Mainz, freier Bühnenbildner in Ulm, Stuttgart, Gießen, Kaiserslautern, Hannover.
1990 erste Regie (Der Sohn des Chao von Ad de Bont), seither fester Regisseur an der SCHAUBURG (Weißt Du, wo mein kleiner Junge ist, Ixypselonzett, Polenweiher, Magdalena, Grindkopf, Bremer Wind). Weitere Regiearbeiten in Freiburg, Opernregie in Wiesbaden und Weimar.
Über Morgen
Nacht.
Nachtblaue Nacht.
Nachtlaute.
Laut und leise.
Leise und laute.
Nachtlaute.
War da etwas?
Ich hör doch etwas!
Oder doch nicht?
Oder doch?
Doch!
War da etwas?
Ich seh doch etwas!
Oder doch nicht?
Doch!
Psssst.
Ganz leise.
Es ist ein Geheimnis.
Nicht weitersagen.
Da ist jemand.
Wer ist da?
Da ist jemand.
Aber wer?
Ich weiß es nicht.
Aber ich weiß,
dass da jemand ist.
Es ist ein Geheimnis.
Ein Geheimnis?
Ja.
Pssst.
Ganz leise.
Nicht weitersagen.
Es ist ein Geheimnis.
Es sind sogar Zwei.
Zwei?
Zwei Geheimnisse?
Zwei Männer?
Zwei Frauen?
Zwei Kinder?
Nein.
Zwei Puppen.
Was?
Ja. Zwei Puppen.
Die Zwei bewegen sich.
Ich seh es genau.
Müde.
Trotzdem.
Ich seh es genau.
Übermüde.
Ich sehe es genau.
Sie bewegen sich.
Übermütig.
Zwei Puppen werden wach.
Gänzlich ohne Krach.
Einatmen ausatmen
Luft schnappen
Einatmen ausatmen
Duft schnuppern
Einatmen ausatmen
Niesen
Einatmen ausatmen
Schnieben
Einatmen ausatmen
Wach!
Wer wir sind?
Zwei Puppen.
Wer sind wir?
Zwei Schwestern.
Wer ist wer?
Große Schwester –
Kleine Schwester.
Käthe – die Große.
Henni – die Kleine.
DAS SIND WIR.
Henni.
Darf ich einmal die Älteste sein?
Nur einmal.
Einmal ist keinmal.
Wir tun so als ob.
Wir tun so, als ob ich die Älteste wäre.
Es ist mein größter Wunsch.
Morgen bin ich die Älteste.
Oder übermorgen.
Morgen bin ich einen Tag älter geworden.
Käthe.
Aber das geht doch nicht.
Nein.
Es geht nicht.
Das kann man nicht verabreden.
Es ist, wie es ist.
Du kannst nicht die Älteste sein.
Wenn Du einen Tag älter geworden bist,
dann bin ich auch einen Tag älter geworden.
Es ist keine Frage von Können.
Es ist eine Frage von Sein.
Die Älteste werde immer ich
Sein.
Vernünftig sein
Verantwortlich sein
Vorbild sein
Verbote aussprechen
Verdruß auslösen
Vergnügen verhindern
Vorschriften machen
Verhaltensregeln aufstellen
Verhindern
Verhätscheln
Verlassen
Verbrüdern
Verbrüdern?
Brüder?
Bruder?
Wir haben keinen Bruder.
Wir sind zu Zweit.
Zwei Schwestern.
Wer bist du?
Euer Bruder.
Ich bin euer kleiner Bruder.
Ich bin noch nicht geboren.
Ich lebe in einem anderen Land.
Dem Land der Musik.
Ich stehe im Bann der Musik.
Die Musik hält mich in ihrem Bann.
Sich zu befreien ist nicht einfach.
Ich brauche Hilfe
Ich brauche Eure Hilfe.
Ich schaffe es nicht allein.
Ganz weit
Fast in die Unendlichkeit
Führt der Weg zu mir
Ganz weit
Fast in die Unendlichkeit
Über Berge und Täler
Durch einen finstren Tann
Müßt ihr euch traun.
Ganz weit
Fast in die Unendlichkeit
Hinter dem Horizont
Liegt das Land der Musik
Es ist ein Traum
Zwick mich.
Aufwachen.
Wachwerden.
Es ist alles nur ein Traum.
Es gibt auch echte Träume.
Und unechte?
Wenn zwei dasselbe träumen,
ist der Traum dann echt?
Oder unecht?
Welcher Traum ist wahr?
Der echte?
Der unechte?
Es ist nur ein Traum.
Warum sagst du „nur“.
Ist ein Traum nichts wert?
Jedenfalls begeben wir uns nicht in Gefahr.
Aber wir haben versprochen
Unseren Bruder zu retten.
Unser Bruder war da.
Aber nur im Traum.
Schon wieder sagst du „nur“.
Er braucht unsere Hilfe.
Ich will nicht, dass du gehst.
Aber
Ich will!
Ich will – Ich will – Ich will!
Was willst du?
Was du willst?
Was ich will, kannst du nicht wollen.
Wir können nicht helfen.
Wir haben es versprochen.
Wir sind zu klein.
Wir wollen einen Bruder.
Wir kennen den Weg nicht.
Wir sind mutig.
Wir sind vernünftig.
Wir können alles, wenn wir wollen.
Wir können es morgen beschließen.
Oder übermorgen.
Ergo
Die Geschichte wäre keine, wenn die Beiden sich am nächsten Morgen nicht auf den Weg machten, ihren noch ungeborenen Bruder zu befreien. Bis das gelingt, sind Aufgaben zu bewältigen, die Märchenmotiven entlehnt sind.
Die Mädchen verlaufen sich im Wald, verlieren einander sogar. Eine unheimliche Alte stellt Bedingungen, ehe sie zu der gesuchten führt und droht, dass man beim Eintreten etwas vergesse. Auf getrennten Wegen erreichen Henni und Käthe das gesuchte Land. Aber sie haben tatsächlich etwas vergessen: Sie erkennen einander nicht mehr. Erst als sie sich mit anderen Augen sehen können, sind sie in der Lage, ihren Bruder zu befreien.
Zu „ÜBER MORGEN“ hat unser Dramaturg des Zuschauerraums, Felix Trejo stückspezifisches Vorbereitungsmaterial zusammengestellt, das ihnen zugesandt wird, wenn sie eine Vorstellung buchen. Dabei geht es nicht darum, den Inhalt des Stücks vorweg zu nehmen, sondern mit den Spielregeln dieser Aufführung vertraut zu machen.