Zwischen Gut und Böse

Münchner Fassung von "Die Geschichte von Rama"
Deutsch von Barbara Buri 2005 eingeladen zum Deutschen Kinder- und Jugendtheater-Treffen "Augenblick mal!" in Berlin
Regie, Bühne und Kostüme
Peer Boysen
Musik
Toni Matheis
Es spielen
Corinna Beilharz, Lisa Huber, Sabrina KhalilArmin SchlagweinKlaas Schramm
Musiker
Yogo Pausch
Geräuschemacher
Max Bauer

Dauer

80 Minuten

Alter

Ab 10 Jahren

Premiere

17. April 2004

Es geschah zu der Zeit, als Caspar ein Heer von Dämonen beherrschte. Caspar, der Gebieter des Bösen, war weder Mensch noch Gott, er war ein Dämon. Er brachte den Menschen Tod und Verderben. Keine göttliche Strafe konnte ihn treffen, kein Gegner war ihm gewachsen - nur ein sterblicher Mensch. Es war Friedrich, der junge Königssohn, dem das Schicksal die Aufgabe zuwies, den Kampf gegen Caspar aufzunehmen. Ein großes Menschheits-Epos, dass nicht nur erfahrene Theatergänger begeistert.

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Gut oder Böse?

"Es geschah zu der Zeit, als Caspar ein Heer von Dämonen beherrschte. Caspar, der Gebieter des Bösen, kein Mensch und kein Gott, ein Dämon. Mit zehn Köpfen kam er zur Welt und zwanzig Armen. Bei seiner Geburt heulten die Wölfe und krächzten die Raben. Caspar jagte in seinem fliegenden Wagen über die Erde und brachte den Menschen Tod und Verderben. Keine göttliche Strafe konnte ihn treffen, kein Gegner war ihm gewachsen, keine Macht der Welt konnte ihn besiegen, - nur ein sterblicher Mensch.“

Zwischen Gut und Böse steht der Mensch und muss entscheiden, viele Male am Tag, bis ans Ende seiner Tage, unabhängig von Alter und Erfahrung, Religion und Kultur, immer und immer wieder. Mal sind es Alltagsbanalitäten, deren Konsequenzen schnell klar sind. Mal sind es große, weitreichende Beschlüsse, deren Tragweite im Augenblick der Entscheidung noch gar nicht abzusehen ist.

Wenn das Gute und das Böse vor uns stünden wie zwei gegensätzliche Kräfte, wären diese Entscheidungen leicht zu bewältigen. Man würde deutlich sehen, was gut oder böse ist und dementsprechend handeln. So aber fällt es schwer, Entscheidungen zu fällen und gleichzeitig die entsprechende Verantwortung für dieses Handeln zu übernehmen. Klar, erschwert werden diese Entscheidungen, weil das Gute und das Böse ein Teil von uns selber sind. Jeder Mensch hat sie in sich, wodurch sehr komplizierte und vielschichtige Kräfte in ihm wirken und so sein Handeln beeinflussen.

Von Göttern und Mythen

"Größter Dichter aller Zeiten, hör mich an. Tausend Jahre hast du fern von allen Menschen gelebt. Tausend Jahre hast du nicht gegessen und nicht getrunken. Tausend Jahre hast du weder geschlafen noch warst du wach. Jetzt ist deine Zeit gekommen. Steh auf und erzähle uns die Geschichte, die uns lebendig machen wird. Du kennst die Gedanken der Götter, du kannst sie erzählen."

Religion und Erziehung sind von Menschen geschaffene Regelwerke, um diese disparaten Kräfte im Menschen zu lenken und so zu beeinflussen, dass ein Zusammenleben möglich wird. Auch in den mythischen Erzählungen aller Kulturen wird dieser innere Widerstreit, den der Mensch mit sich und seinen Mitmenschen ausfechten muss, aufgegriffen und in verdichteter Form tradiert, um Aussagen über die Zusammenhänge der Welt mit der eigenen Existenz zu machen. Oft treten göttliche Mächte als Personen handelnd auf und man erfährt von ihrer Entstehung oder Verwandlung, von ihren Taten und Schöpfungen. Manche Mythen berichten vom Ursprung der Welt, vom Werden und Vergehen in der Natur, von Weltuntergang und –Erneuerung. Es gibt Mythen, die erzählen von Paradies und Sündenfall, von der Sintflut und vom Überleben der Menschheit, oder sie erklären Übel und Tod. Durch ihre Weitergabe und Überlieferung bekamen diese Urgeschichten immer mehr Form in gesteigerter, rhythmischer oder metrisch gebundener Sprache und sind bis heute als große Menschheits-Epen erhalten („Gilgamesch“, „Ilias“, „Odyssee“, „Nibelungenlied“, „Mahabharata“). Aus der nachfolgenden Inhaltsangabe von "Zwischen Gut und Böse" wird ersichtlich, dass in dieses Stück viele bekannte Epen-Motive eingeflossen sind.
 

"Zwischen Gut und Böse"

"Der Bogen, den noch niemand spannen konnte, wurde auf einem Wagen mit acht Rädern, gezogen von zwanzig Männern, gebracht. Friedrich hob ihn mit seinen Armen, stark wie die Rüssel des Elefanten, vom Wagen und stellte ihn gegen seinen Fuß. Mit den gewaltigen Armen spannte er ihn, bis er in seinen Armen klirrte. Und dann brach er entzwei mit einem Donnerschlag, den man auf der ganzen Welt hörte.“

Da Friedrich, genannt Fritz, es schafft, den göttlichen Kriegsbogen zu spannen, darf er Ute, Tochter von König Peter, heiraten. Eine prächtige Hochzeit wird gefeiert, und Friedrich soll seinem alten Vater König Konrad auf dem Thron folgen. Seine Stiefmutter, Königin Gertrude, wird von unbändigem Neid gepackt und fordert König Konrad auf, ihren eigenen Sohn zum jungen König zu machen und Friedrich stattdessen vierzehn Jahre in die Verbannung zu schicken.

Gertrude besitzt die Macht, diese Ungeheuerlichkeit zu fordern. Weil sie vor vielen Jahren König Konrad vor dem Tod errettet hat, versprach dieser ihr als Dank, einen Wunsch zu erfüllen. Er muss nun eingelöst werden. Und so geschieht das Ungeheuerliche. Friedrich wird verbannt, wider Erwarten begleitet ihn seine junge Frau Ute in den gefährlichen Wald.

Nach zehn Jahren Verbannung bekommen die beiden von den Göttern einen Bogen, einen funkelnden Speer und einen Köcher, gefüllt mit Pfeilen, die nie ihr Ziel verfehlen. Große Aufgaben stehen bevor. Margarethe, eine Schwester des Dämons Caspar, verliebt sich in Friedrich. Ute schlägt die Rivalin nieder. Zur Strafe wird sie mit Hilfe einer List von Caspar auf dessen Insel verschleppt. In seiner Verzweiflung bittet Friedrich Hanuman, den Anführer eines Heeres von hundert Millionen Affen um Hilfe bei der Suche nach der Entführten.

Allen Annäherungsversuchen des bösartigen Caspar widersteht die mutige Ute. Hanuman taucht als Retter auf dessen Insel auf. Caspar weigert sich, Ute zurückzugeben und zündet Hanumans Fell an. Brennend wie eine Fackel rast dieser durch die Stadt und setzt Häuser, Türme und Tore in Brand.

Eine derartige Provokation führt zu einem fürchterlichen Gemetzel mit unsäglich vielen Opfern auf beiden Seiten. Sogar der tapfere Friedrich bezahlt den Kampf mit seinem Leben. Hanuman allerdings kann ihn wieder ins Leben zurückholen. Mit Hilfe seiner göttlichen Waffen gelingt Friedrich schließlich der Sieg um einen hohen Preis.

Ein Feuerwerk im Kopf

"Grausig ist das Gemetzel zwischen Dämonen und Affen. Hört den Kriegslärm, hört das Quietschen der Wagenräder, das Trompeten der Elefanten, das Wiehern der Pferde, das Aufstampfen der Füße. Hört das Schwirren der Pfeile, das Sausen der Speere, das Klirren der Schwerter, das dumpfe Dröhnen der Keulen und Äxte, das Schlagen der von weither geschleuderten Felsbrocken. Seht, der Boden ist mit Leichen bedeckt und getränkt mit Blut."

Und wie wird das im Theater umgesetzt? Ganz einfach! Mit der Vorstellungskraft der Zuschauer. Und das ist gar nicht so schwer, wie es im ersten Moment erscheint.

Die Themen dieses Stückes werden jungen Zuschauern zum großen Teil bekannt sein. Vielleicht nicht über das Nibelungenlied, das Gilgamesch-Epos oder die Ilias, sondern eher durch das Computerspiel "Age of Mythology", den Film "Herr der Ringe" oder "Magic-Karten".

Irrtümlicherweise wird oft geglaubt, sowohl Film als auch Theater seien Erzählformen, die vorwiegend über Bilder wirken. Für den Film stimmt das, nicht aber fürs Theater. Theater ist ein Medium der Symbole, ebenso wie Geschichten aus der Mythologie. Beide bestehen aus Bildern, Zeichen, Chiffren, die der Klärung bedürfen.

Symbole sind Realitätsinterpretationen, die ihrerseits interpretiert werden können. Sie sind Ergebnisse von Beobachtungen, zeichenhafte Verdichtungen von Situationen. Dies zu lernen und zu beherrschen, ist eine schöpferische Kraft, die in der heutigen Welt dringend gefördert werden sollte.

Schauspieler, Musiker, Geräuschemacher, Bühnenraum, Kostüme, Musik, Sprache, Klänge, Bewegungen und Licht fordern in ihrer inszenierten Zeichenhaftigkeit die Zuschauer auf, ein Feuerwerk im eigenen Kopf zu entzünden, einen eigenen Film zu produzieren.

Das klingt vielleicht abstrakter, als es für Jugendliche heute ist. Anhand der Spielregeln des überaus beliebten Magic-Spiels kann das veranschaulicht werden. Die Situation von Zuschauern in dieser Vorstellung ist eine ähnliche wie die von Magic-Spielern, die in die Rolle von mächtigen Zauberern schlüpfen und in eine magische Welt eintauchen mit Hilfe des Designs ihrer Karten und der Zusammenstellung ihrer Decks. Vor Spielbeginn treffen sie eine Auswahl an Karten mit speziellen Wirkungen, die ihre Kraft auf dem Spielfeld entfalten und arbeiten mit gewissen Grundstimmungen, für die sie sich frei entscheiden können aus einem riesigen Angebot. Man kann sein Deck nach einem Thema ausrichten oder die Stärke einer Farbe einsetzen, um die Schwäche einer anderen auszugleichen. Oder man kann lediglich den puren Effekt der Zaubersprüche ausnutzen ohne auf Themen zu achten. Die gleichen Collage-Regeln gelten für die Vorstellung "Zwischen Gut und Böse": Man kann sich tragen lassen von einzelnen Bildern und Eindrücken und sie mit der eigenen Phantasie ergänzen. Man kann aber ebenso gut mit akribischer Aufmerksamkeit den Schritten folgen, die wir während des Probenprozesses gegangen sind oder man begleitet einen einzelnen Schauspieler durch dieses Stück, in dem alle Figuren einen Weg zwischen Gut und Böse finden müssen.

PPS. Die kursiv gesetzten Textpassagen sind dem Stück entnommen.

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