Haupt-Reiter
Bash
Stücke der letzten Tage aus dem Amerikanischen von Frank Heibert
Veranstaltungsreihe: NEXT GENERATION
Regie und Kostüme
Johannes Klama
Bühne
Max Biek
Es spielen
Caroline Betz, Myriam Utz, Sebastian Feicht, Ullrich Wittemann
In unserer neuen Veranstaltungsreihe "Next Generation" befragen junge Theatermacher die Welt. Feste und freie Mitglieder unseres Ensembles erhalten die Chance, ihre eigenen Ideen auf der Bühne zu verwirklichen. Die Reihe eröffnet der Schauspieler Johannes Klama, der sich das provozierend bittere Stück von Neil LaBute ausgesucht und inszeniert hat. Gezeigt wird die Apokalypse im Alltäglichen! Tragödie pur!
Nächste Termine
Next Generation
So nennen wir eine neue Veranstaltungsreihe. Schauspieler aus dem Ensemble der Schauburg erhalten die Möglichkeit, eigene Theateruntersuchungen vorzunehmen. Die Projekte entstehen mit kurzem Vorlauf, kleinem Etat und kurzen Probenzeiten. Interessanter als das Ergebnis sind die Versuchsanordnung und das Experiment. In Zeiten rasender gesellschaftlicher Umbrüche sind wir neugierig auf die Weltwahrnehmung unseres Ensemble. Welche Fragen haben sie an die Zukunft? Gibt es überhaupt noch eine? Wer verhindert Zukunft? Wie kann man sich wehren? Die Reihe eröffnet der Schauspieler Johannes Klama, der sich ein provozierend bitteres Stück vorgenommen hat, das all diese Fragen nicht beantwortet, sondern dem Zuschauer in den Schoß wirft. Im April wird Josephine Ehlert ihr eigenes Stück "Ein Iltis" inszenieren.
Bash
Der Abend besteht aus drei unabhängigen Einaktern, die dennoch zusammengehören.
„Iphigenie in Orem“ ist das Geständnis eines jungen Angestellten, der sein Kind opfert, um seinen Arbeitsplatz zu sichern. „Eine Meute von Heiligen“ ist die Erinnerung eines gläubigen Paares daran, wie sie einen Homosexuellen im Central Park umgebracht haben. Einfach so. Vielleicht aus einer vagen unerklärlichen Angst. „Medea Redux“ zeigt die Geschichte einer jungen Frau, die als 14jährige vom verständnisvollen Lehrer schwanger wurde. Sie bekommt das Kind, er macht sich aus dem Staub. Nach einem Wiedersehen 14 Jahre später tötet sie den Sohn.
Keiner der Täter bereut. Keiner kann mit dem Begriff Schuld umgehen. Ihre Sprache ist gleichgültig, ihre Brutalität versteckt sich als Nüchternheit. Alle haben ein wasserdichtes Selbstrechtfertigungssystem entwickelt. Es ist nicht umsonst, dass der Autor im Untertitel sagt, es handele sich um „Stücke der letzten Tage“.
Gezeigt wird die Apokalypse im Alltäglichen: Mord aus Angst davor, aus dem System des normalen Lebens zu fallen. Stellvertreter-Mord, weil einer aussieht wie der verachtete Vater. Mord, weil der Geliebte die Liebe verriet. Tragödie pur. Hier werden Menschen schuldig und haben keine Alternative. Weil sie so viel Angst haben, weil sie innerlich so leer sind, weil sie zu sehr lieben. Neil LaBute legt in seinen Geschichten das Banale des Bösen frei: die ungewollte Untat, das gleichgültige Böse. Der Zuschauer findet weder Entkommen vor den ausgebreiteten Schicksalen noch Erklärungen für diese moralischen Tode.
Johannes Klama über Bash
Der amerikanische Dramatiker und bekennende Mormone Neil LaBute berichtet in seinen drei kurzen Stücken, die unter dem Titel BASH (Schlag) zusammengefasst sind, von menschlichen Tragödien. Die großen Helden aus der griechischen Mythologie Iphigenie, Orest und Medea stehen mit ihren Schicksalen Paten. Ein Vater opfert seine Tochter für seine gesellschaftliche Postion. Ein junger Mann wird totgetreten, weil er unverarbeitete Erinnerungen an den eigenen Vater hervorruft. Eine junge Mutter tötet ihr Kind, um den Vater zu strafen. Ganz normale Menschen werden zu Schuldigen. Aber keiner kann mit dem Begriff „Schuld“ umgehen: Der Abend trägt zurecht den Titel BASH (Schlag).
In einer Gesellschaft, die immer mehr auf Produktivität und wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet ist, werden wir gezwungen zu funktionieren. Erwartungen zu erfüllen, einem Bild zu entsprechen. Der Druck ist riesig. Alle stehen unter Strom. Dabei wird es immer schwieriger, Grenzen zwischen Richtig/Falsch, Gut/Böse, Wahrheit/Lüge zu ziehen.
„Wir überschätzen die Handlungswirksamkeit von Werten, Normen und Moral enorm. (...) Menschen sind fähig, ihre Taten in spezifische Referenzrahmen einzuordnen und ihr Handeln dadurch als von ihrer moralischen Person lösgelöst zu betrachten. (...)“, resumiert Harald Welzer, Direktor des Center for Interdisciplinary Memory Research (Essen) und Professor für Sozialpsychologie der Universität Witten/Herdecke in einem Interview in der SZ.
Wir leben in einer zynischen und getriebenen Zeit. Für die Frage „Wer bin ich?“ gibt es kaum Raum. Sie zu stellen kostet viel Kraft und Anstrengung. Die Chance, diese Frage zu stellen, verpassen die Figuren in BASH. So kommt es zur Tragödie. Sie spielen eine Rolle, statt das eigene Ich zu suchen. Sie haben sich selbst verloren und die Überforderung, Angst, Wut und Leere werden so groß, dass die Sicherung durchbrennt. Die Frau sagt an einer Stelle: „Ich finde, ganz oft, wenn man um etwas bittet oder vielleicht mal Fragen hat wegen einer Sache, da gibt einem die Welt nicht immer eine Antwort. Man kann fragen und fragen, aber es kommt nicht immer was zurück.“ Ich bin überzeugt, Antworten auf die wesentlichen Fragen finden wir nur in uns selbst. Ich möchte mit meiner Inszenierung ermutigen, sich diesen Fragen zu stellen, denn „wir sind schließlich nur Menschen, oder?“