Haupt-Reiter
Geister aus Quadrath-Ichendorf
Es spielt Peter Wolter
Veranstaltungsreihe: NEXT GENERATION
Co-Regie und Produktionsleitung
Pauline Roenneberg
Musik
Taison Heiß
Im Rahmen von VERGESSEN ÜBERWINDEN Der Satz "Die Toten leben weiter in den Lebenden." könnte als Drohung verstanden werden, denkt sich der Enkel. Er könnte gut ohne die Erinnerung an Opas verdrängte Geschichte leben. Aber das gelingt nicht, obwohl die Großeltern seit fast dreißig Jahren tot sind. Was heißt schon "tot"?
Nächste Termine
VERGESSEN ÜBERWINDEN nennen wir eine Reihe, die wir rund um den 27. Januar veranstalten. Dieser Tag ist seit 1996 der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Rund um dieses Datum laden wir Theatervorstellungen in die SCHAUBURG ein, die eine zeitgemäße Form des Erinnerns gefunden haben, denen es gelingt, Neugier auf Geschichte zu wecken.
Peter Wolter, seit vielen Jahren Ensemble-Mitglied an der SCHAUBURG, macht sich mit seinem Stück auf eine Erkundungstour in seine eigene Familiengeschichte. Quadrath-Ichendorf ist der Ort, in dem seine Großeltern gelebt haben.
Der Satz „Die Toten leben weiter in den Lebenden.“ könnte als Drohung verstanden werden, denkt sich der Enkel. Er könnte gut ohne die Erinnerung an Opas verdrängte Geschichte leben. Aber das gelingt nicht, obwohl die Großeltern seit fast dreißig Jahren tot sind. Was heißt schon „tot“?
Offensichtlich gibt es in uns einen Ort, an dem wir den Ahnen nach ihrem Tod eine neue Bleibe einrichten. Dabei spielt es keine Rolle, ob man das will oder nicht, ob sie das wollen oder nicht. Diesen Ort sollte man besuchen. Klingt nach einer unangenehmen Aufgabe. Etwas abgründig? Eine Art Geisterbeschwörung? In jedem Fall eine schräge Vorstellung.
“Die eigenen Verwandten, die Alten, verschwinden immer mehr im Ungefähren. Das wird immer unschärfer mit den Jahren. Sie bekommen etwas geisterhaftes. Sie sind alle tot, die Großeltern. Die Beziehung zu ihnen verwandelt sich: aus realen Menschenbeziehungen werden Geisterbeziehungen: sie tauchen auf, sie verschwinden wieder.
Ich nenne sie Geister – ich könnte sie ja auch einfach „Erinnerungen“ nennen - weil sie etwas diffus körperhaftes haben, etwas unveränderliches. Wie Wesen. Die Gedanken an sie sind unveränderbar eingefärbt.
Sie haben auch die Penetranz von Geistern: sie kommen wann sie wollen, sie gehen wieder, wann sie wollen. Sie lassen einen nicht so leicht wieder los. Die erinnerten Worte und Taten dieser Toten verschmelzen mit den Toten selbst.
Ich hole den Opa, die Oma nochmal hervor, aus ihrem Grab. Darf ich das? Was verspreche ich mir davon? Ich setze sie an einen Tisch. Ich warte. Was geschieht? Werden sie mehr sagen als zu Lebzeiten? Haben sie etwas dazugelernt in der langen Zeit, die sie schon tot sind? Lächerlich anzunehmen, dass sie mehr sagen werden als damals. Sie hätten hundertfünfzig Jahre leben können und sie hätten immer noch geschwiegen. Ich meine nicht das stille Schweigen, ich meine das laute Schweigen.
Aber ich, ich bin ein anderer als damals. Bin nicht mehr der kleine Junge. Ich habe mich schließlich verändert. Ich werde sie mir nochmal anschauen, mit meinen Mitteln, auf meine Weise, mit meinem Blick...
Die Toten leben weiter in den Lebenden.“