Die Ostindienfahrer

Ein Abenteuerstück aus Schweden

Deutsch von Walter Boehlich
Regie
Dirk Engler
Bühne und Kostüme
Peter Dachsel
Musik
Toni Matheis
Seemännische Beratung
Ralf Nagel
Kampfszenen
Heinz Wanitschek
Es spielen
Andreas Bittl, Butz Buse, Michael Greza, Tim Kalhammer-Loew, Thorsten Krohn, Markus Menzel, Giorgio Spiegelfeld, Ullrich WittemannPeter Wolter

Die Ostindienfahrer

Dauer

90 Minuten

Alter

Ab 9 Jahren

Premiere

24. Mai 2008

"Die Ostindienfahrer" ist ein großes Seefahrer- und Abenteuerstück. Es spielt an Bord des schwedischen Ostindienfahrers "Sophia Magdalena" in den Jahren 1795 – 1796, eines der Schiffe, die durch den Warenhandel ihrer Ostindien-Kompanien mit Indien und China Europa zu großem Reichtum verhalfen.

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Zum Stück

Die Ostindienfahrer“ ist ein großes Seefahrer- und Abenteuerstück. Es ist das Ergebnis aus der kollektiven Beschäftigung einer schwedischen Theatergruppe mit dem Seefahrermilieu im 18. Jahrhundert.
Das Stück spielt an Bord des schwedischen Ostindienfahrers „Sophia Magdalena“ in den Jahren 1795 – 1796, eines der Schiffe, die durch den Warenhandel ihrer Ostindien-Kompanien mit Indien und China Europa zu großem Reichtum verhalfen.
Erzählt wird die harte und abenteuerliche Schiffsreise von Göteborg in Schweden nach Kanton in China. Diese Reise hatte es im 18. Jahrhundert tatsächlich gegeben und mit ihrer Gesamtdauer von nur einem Jahr ist sie zur Legende geworden.
Um Zeit und Geld zu sparen, und somit den Gewinn der Kompanie um ein Vielfaches zu erhöhen, wird die „Sophia Magdalena“ auf Kosten der Sicherheit mit einem höheren Mast schneller gemacht. Außerdem wird weniger Proviant aufgenommen, um mehr Waren befördern zu können.
Mit extremer Härte gegenüber seiner Mannschaft versucht der Kapitän die Reise zu einem Erfolg werden zu lassen, an deren Gelingen er mit einem üppigen Mehrverdienst beteiligt ist.

Die Mannschaft dagegen lebt und arbeitet unter menschenunwürdigen Bedingungen, die zwei Seemännern das Leben kostet. Nach einem schweren Sturm, einem Piratenüberfall, Begegnung mit anderen Kulturen und vielen anderen atemberaubenden Abenteuern kommt es schließlich zu einer Meuterei der Mannschaft. Dem großen Jubel, ihren brutalen Kapitän losgeworden zu sein, folgt schnell die Ernüchterung, denn nun sind sie Gesetzlose und als solche weltweit gejagte Verbrecher. Nach Hause zu ihren Frauen und Kindern können sie nicht mehr. Diese missliche Situation der Mannschaft als Überlebenschance für sich begreifend, macht der am Hauptmast gefesselte Kapitän den Meuterern ein Angebot:

„Ich denke ja genau wie ihr, es ist bloß so, dass ich ganz allein nicht wie ihr alle zusammen einen Aufstand machen konnte. Aber was sagt ihr dazu, daß wir uns gemeinsam hinter eine Resolution an die Kompanie stellen, in der wir bessere Verhältnisse fordern? Höhere Heuer, weniger Hetze auf den Fahrten, mehr Rechte für alle, besseres Essen und sonst noch das eine oder andere.“
Ein ernst zu nehmendes Angebot oder nur eine geschickte Täuschung des Kapitäns, um sein eigenes Leben zu retten? Die Mannschaft geht auf das Angebot ein und der Kapitän gibt sein Ehrenwort, die Meuterer in ihrem Anliegen gegenüber der Kompanie zu unterstützen.
Dann ist der Hafen von Göteborg in Sicht. Die „Möwen singen endlich wieder schwedisch“ und es passieren Dinge, die so niemand erahnt hatte, nur einer erhofft.

Ostindische Kompanien

Alle europäischen Ost- und Westindischen Kompanien haben sich im 17. und 18. Jahrhundert gegründet. Sie gehören im gesamthistorischen Zusammenhang dem großen Zeitalter der Entdeckungen und somit der so genannten Neuzeit an. Mit der Entdeckung Amerikas 1492 durch Kolumbus und der Entdeckung des Seeweges nach Indien 1498 durch Vasco da Gama begann eine europäische Entwicklung, an deren Ende die bürgerlichen Zivilgesellschaften stehen. Die ökonomische Basis und Grundvoraussetzung für das Gelingen dieser europäisch-demokratischen Staatsform wurde über die Jahrhunderte teuer und blutig mit den Mitteln der Unterdrückung, Versklavung und des unfairen Handels erkauft und führt weltweit bis heute zu sozialen, wirtschaftlichen und politischen Spannungen. Ging es am Beginn dieses Zeitalters den Portugiesen und in deren Folge den Spaniern in ihrem absolutistischen Gestus noch vornehmlich um die Kolonialisierung und Christianisierung der von ihnen entdeckten Länder und Völker, so ging es danach zunächst vor allem den Engländern und Holländern um den Warenhandel. Der Grund für dieses Interesse am reinen Handel war einer neuen und selbstbewusst aufstrebenden Schicht zu verdanken: dem Bürgertum. Die bürgerliche Revolution von 1640-1660 in England ist dafür der stärkste Ausdruck. Ausgestattet mit diesem neuen bürgerlichen Freiheitsgedanken, sowie der Aussicht auf hohe Gewinne in diesem Geschäft und der damit verbundenen höheren sozialen Stellung in der Gesellschaft, war vielen Menschen dieser Schicht das Risiko wert, was der Ostindische als auch Westindische Handel darstellte.

Denn Piraten, Unwetter, Meuterein, Krankheiten oder Schiffbrüche stellten eine reale Gefahr dar. Wenn das Schiff aber unversehrt den Heimathafen wieder erreichte, konnte man Gewinne bis zu 800% des eingesetzten Grundwertes erzielen und fehlgeschlagene Reisen gut kompensieren. Deshalb unterhielten auch alle europäischen Großstaaten nach und nach Ostindische Kompanien. Diese Entwicklung ging immer einher mit der Etablierung bzw. Festigung einer bürgerlichen Klasse in den jeweiligen Ländern. Und selbst die Gründung des Ursymbols der kapitalistischen Gesellschaftsform, die Börse, fällt in diese Epoche: Die erste Börse wurde 1531 in Antwerpen gegründet und das erste offizielle Börsengebäude der Welt wurde 1613 in Amsterdam eröffnet.

All diese Entwicklungen waren also der Beginn einer durch den Warenhandel und am Kapital orientierten Globalisierung, die bis heute anhält. Die Ostindien-Kompanien waren somit die ersten global agierenden Unternehmen. Und wenn man es genau betrachtet, nimmt diese Globalisierung heute genau den umgekehrten Weg, nämlich von Ostindien (Indien und China) zurück an den Ausgangspunkt ihrer Entwicklung - in die europäischen Zivilgesellschaften!

Die schwedische Ostindien-Kompanie

Die schwedische Ostindien Kompanie bestand von 1731 bis 1809.
Ihre Schiffe führten hauptsächlich Eisen, Kupfer, Blei, Stahl und Tauwerk aus. Ein Teil dieser Waren wurde bereits in Spanien für Silberpiaster verkauft, weil diese das einzige Zahlungsmittel waren, das die Chinesen anerkannten. Aus China führten die schwedischen Ostindienfahrer vor allem Tee – wobei das Teegeschäft nach und nach an die übermächtige Konkurrenz der Engländer verloren ging – Baumwolle, rohe sowie auf verschiedene Weise verarbeitete Seide und chinesisches Porzellan nach Schweden ein. Der größte Teil dieser Waren blieb aber nicht in Schweden, sondern wurde weiter an die Holländer, Engländer und Dänen verkauft.

Der Ostindienfahrer

„Ostindienfahrer“ sind Überseehandelsschiffe und als solche ein spezieller Schiffstyp. Er beschreibt Schiffe, welche im Auftrag verschiedener europäischer Ostindien-Kompanien im 17. und 18. Jahrhundert Handel mit den Ländern im asiatischen Raum betrieben.
Dieser Schiffstyp war von extrem stabiler Bauweise, bei der man nur besonders haltbare Hölzer, die ausreichend abgelagert waren und spezielle Baupläne verwendete, um auch bei schweren Stürmen die kostbare Ladung von Gewürzen, Stoffen, Porzellan und Tee sicher zu transportieren.
Da diese Schiffe nicht nur eine große Menge an Waren transportieren mussten, sondern hinsichtlich des Wertes der transportierten Waren entsprechend wehrhaft gegenüber Überfällen von Piraten sein mussten, waren sie um ein Vielfaches größer als übliche Handelsschiffe und mit Kanonen ausgestattet.
 

Dass es dennoch Piraten und Korsaren gelang, Schiffe dieses Typs zu entern und auszurauben, lag meist daran, dass Ostindienfahrer in der Regel allein und nicht im Konvoi segelten. Gegenüber mehreren kleineren Piratenschiffen, die manövrierfähiger waren, hatten sie durch das Fehlen von Marineinfanteristen zahlenmäßig und bei Flaute auch einen taktischen Nachteil.
 

Seemannsprache

Die Sprache der Seefahrt im Zeitalter der Segelschiffe war eine Sprache ganz eigener Art. Die Seeleute gebrauchten ihre Ausdrücke so regelmäßig bei ihrer Arbeit und im Gespräch untereinander, dass sie im Laufe der Zeit verlernten, sich mit der normalen Umgangssprache zu verständigen. Auf diese Weise waren und sind sie für Landratten bis heute oft gänzlich unverständlich.
So schlägt sich in der Seemannssprache z.B. eine Präzisierung und Differenzierung technischer Begriffe aus der Seefahrt nieder. Für den Seemann war es notwendig, nicht einfach von einem „Seil“ zu sprechen, sondern es nach Funktion und Art genauer zu bezeichnen, also von „Want“, „Fall“, „Dirk“, „Schot“, oder noch genauer von „Besanwant“, „Fockschot“ usw., zu sprechen. 
Seit dem Ende der Segelschifffahrt haben viele Ausdrücke nur noch eine historische Bewandtnis. So verwendet die heutige Handelsschifffahrt immer weniger seglerische Ausdrücke.

Zur Seemannssprache gehört darüber hinaus auch ein ganz eigener Humor, der sich in Seemannsgarn äußert.
Das folgende Beispiel aus dem Stück soll verdeutlichen, wie unmöglich es für Landratten ist, Seeleute in ihrer Kommunikation untereinander zu verstehen. Das Segelmanöver, das dabei kommuniziert und ausgeführt wird, kann man salopp mit dem Ausparken eines Autos aus einer Parklücke vergleichen. Nur ist der Vorgang bei einem großen Segelschiff aus einem Ankerplatz heraus ungleich komplizierter, dauert entsprechend lange und bedarf einer großen Geschicklichkeit sowie Wachsamkeit gegenüber Wind, Strömung und Mannschaft vom Kapitän:

LARS      Klar am Vorschiff!
RUSSE      Klar am Fall!
DICHTER      Klar am Ankerspill!
STRANNE      Alles klar zum auslaufen, Herr Kapitän!
KAPITÄN      Gut. Staksegel setzen! 
STRANNE      Staksegel setzen!
RUSSE      Staksegel ist gesetzt. 
STRANNE      Staksegel ist gesetzt!
KAPITÄN      Anker lichten!
STRANNE      Anker lichten!
DICHTER      Anker wird gelichtet!
KOCH,
DICHTER      pull, pull, pull!
STRANNE      Gut so. Halt. 
KAPITÄN      Schot auf Steuerbord dicht holen!
STRANNE      Schot auf Steuerbord dicht holen!
LARS      Steuerbordschot ist dicht. 
STRANNE      Steuerbordschot ist dicht. 
STRANNE      Anker auf und nieder!
DICHTER,
KOCH      pull,pull,pull.
DICHTER      Halt! Anker frei!
STRANNE      Anker frei! 
DICHTER,
KOCH      pull,pull,pull.
 

KAPITÄN      Steuerbord fieren!
STRANNE      Steuerbord fieren! 
LARS      Steuerbord ist gefiert!
STRANNE      Steuerbord ist gefiert!
KAPITÄN      Über die Fock, auf Backbord dicht holen!
STRANNE      Über die Fock, auf Backbord dicht holen!
DICHTER      Schot auf Backbord dicht!
STRANNE      Schot auf Backbord dicht!
KAPITÄN      Gut, abfallen, 270° West. 
J.OLLSON      Ich falle ab. 
J.OLLSON      270° West liegt an. 
KAPITÄN      Großsegel setzen!
STRANNE      Großsegel setzen!
STRANNE      Großsegel sind gesetzt!
KAPITÄN      Großsegel dicht holen!
STRANNE      Großsegel dicht holen!
ALLE      hol!hol!hol!
LARS      Großsegel Steuerbord dicht!
STRANNE      Großsegel Steuerbord dicht!
RUSSE      Großsegel Backbord dicht!
STRANNE      Großsegel Backbord dicht!
STRANNE      Jungs! Wir segeln!

Das Leben an Bord

An Bord eines Segelschiffes war die Arbeitseinteilung genau geregelt. Die Mannschaft wechselte sich in vierstündigem Turnus, den so genannten Glasen, am Ruder und bei der Arbeit auf Deck ab. Ausgenommen von diesen vierstündigen Wachen waren lediglich der Koch, der Segelmacher und der Schiffszimmermann. Sie arbeiteten den ganzen Tag über und durften nachts schlafen, falls nicht alle Männer an Deck benötigt wurden. Damit eine Wache nicht immer zur gleichen Zeit Dienst tun musste, wurde die Wache von 16 bis 20 Uhr in zwei Hälften, die so genannten Hundewachen, eingeteilt. Die eine dauerte von 16 bis 18 Uhr, die andere von 18 bis 20 Uhr. Auf diese Weise wurden die 24 Stunden in sieben statt sechs Wachen eingeteilt und dadurch in jeder Nacht der Wachbeginn verändert.
Zu den wichtigsten Arbeitsverrichtungen der Mannschaft gehörten das Ankerlichten, was manchmal einen halben Tag in Anspruch nehmen konnte, das Bedienen der Pumpen, die Ausführung der Segelmanöver auf Deck, in den Wanten und auf den Rahen, wobei jeder seinen festen Platz einnahm, das Verstauen der Ladung unter und auf Deck und dazwischen immer wieder Deckschrubben, Reparieren des Tauwerks und der Segel.

„Geht nach Ostindien; und von dort, Ihr wisst, kehrt von drei Männern einer nur zurück!“ Kleists Behauptung in „Der zerbrochene Krug“ ist kaum übertrieben. Bedingt durch Krankheiten, Unfälle, Schiffbrüche, mangelnde Hygiene und schlechte Ernährung kehrten z.B. von etwa einer Million Seeleuten der holländischen „Vereinigten Ostindischen Compagnie“ insgesamt nur 366900 Personen zurück. Die harte Arbeit, die unzureichende einseitige Ernährung und die Massen von Ungeziefer an Bord führten häufig zu Krankheiten wie Typhus oder Skorbut. Skorbut ist eine Vitamin-C Mangelkrankheit und macht sich durch Anschwellen der Beine, durch faulendes Zahnfleisch, Zahn- und Haarausfall sowie das Aufbrechen der Narben alter Wunden bemerkbar. An dieser Krankheit starb nicht selten ein Drittel der Besatzung eines Schiffes. Später, als man den Vitamin-C-Mangel als Ursache für diese Krankheiten erkannte, nahm man auf diesen Überseehandelsschiffen Sauerkraut, eingelegten Sellerie oder Zitronen mit an Bord.
Der Kapitän hatte auf den Schiffen der Ostindischen Kompanien absolute Befehlsgewalt und gegenüber der Mannschaft das gleiche Disziplinarrecht wie auf Kriegsschiffen. Er war Herr über Leben und Tod. Seine Befehle waren ohne eine Gegenfrage von der Mannschaft auszuführen. Den einfachen Seeleuten war der Zugang zum Kapitänsbereich auf dem Schiff verboten. Ausnahmen bildeten lediglich das Küchenpersonal und die an Bord befindlichen Handwerker, wie Schiffszimmerleute, Segelmacher oder Schmiede.

Schon die geringsten Vergehen der Mannschaft konnte der Kapitän mit harten Strafen belegen. So wurden zum Beispiel Matrosen, die bei der Arbeit unaufgefordert geredet oder gegen den Wind gespuckt hatten, mit Prügeln bestraft, oder sie mussten kielholen, das heißt, sie wurden von der einen zur anderen Seite des Schiffes unter dem Schiffsrumpf gezogen. Manche Seeleute ertranken dabei oder wurden durch die Muscheln am Schiffsrumpf lebensgefährlich verletzt. Befehlsverweigerung, Einschlafen während der Wache oder meuterische Reden wurden vom Kapitän mit dem Tode bestraft.
Angesichts dieses harten Lebens an Bord war es verständlich, dass sich nur wenige Männer freiwillig meldeten, Dienst und Heuer an einem solchen Segelschiff anzunehmen. Deshalb wurden viele Seeleute an Bord "gepresst" oder "shanghait", wie es in der Seemannssprache heißt. Man machte starke junge Burschen oder auch Seeleute von anderen Schiffen in den Hafenkneipen betrunken, gab ihnen ein Handgeld und verschleppte sie an Bord der Schiffe.

Eine besondere Form der Bestrafung bei einem Vergehen stellte die Prügelstrafe mit der neunschwänzigen Katze dar. Dabei handelte es sich um eine Peitsche mit Lederriemen, an denen kleine Bleikugeln befestigt waren. Der Rücken des Gequälten war nach wenigen Schlägen nur noch eine zerhackte, blutende Fleischmasse und es wurde so lange auf ihn eingeprügelt, bis er tot war.
In manchen Staaten war es auch üblich, Verbrechern den Rest ihrer Freiheitsstrafe zu erlassen, wenn sie sich zum Dienst an Bord eines Segelschiffes verpflichteten, oder es wurde Straffreiheit für jede Art von noch nicht gesühnten Verbrechen gewährt, um ein paar Schiffe bemannen zu können. In dieser Tatsache ist sicher einer der Gründe für die Meutereien und Desertionen zu sehen, die bis ins 19. Jahrhundert die große Zeit der Segelschiffe begleiteten.

Weitere Ursachen für Meutereien waren das schlechte Essen oder ungerechte Behandlung an Bord. Es kam auch vor, dass der Kapitän eines Schiffes, der sich sein Kapitänspatent erkauft hatte, so unfähig war, dass die Mannschaft das Kommando selbst übernahm, nur um zu überleben. Dieser Umstand wurde dann der Mannschaft als Meuterei ausgelegt.
Unter Meuterei versteht man den verabredeten Widerstand und tätliche Angriffe von Besatzungsmitgliedern gegen die Schiffsführung.
Verlief eine Meuterei erfolgreich und das Schiff kam in die Gewalt der Mannschaft, dann war dies Piraterie, auf die der Tod stand. Verlief die Meuterei nicht erfolgreich, so wurde die Mannschaft ebenfalls mit dem Tode bestraft

Piraten gestern

Piraten wurden auch Freibeuter oder Seeräuber genannt. Viele von ihnen waren aus politischen, religiösen Gründen Verfolgte oder Seeleute, die nach einer Meuterei keine andere Wahl hatten, als Freibeuter zu werden, um ihr Leben zu retten. Darüber hinaus war es ein Leichtes, Männer aus den Massen der Unzufriedenen und Ausgestoßenen für ein so genanntes freies Leben als Pirat zu gewinnen. Was große Handelsgesellschaften mit ganzen überseeischen Ländern taten, das machten die Piraten mit den Schiffen dieser Gesellschaften, sie raubten sie aus. Die große Zeit der Piraten begann nach der Entdeckung Amerikas und der Umsegelung Afrikas um 1500. Portugal und Spanien waren die reichsten Seemächte. Um an diesem Reichtum teilzuhaben, statteten andere europäische Staaten wie England oder Holland Piratenschiffe mit Kaperbriefen (Vollmachten) aus, mit denen das Ausrauben der spanischen und portugiesischen Schiffe "legalisiert" wurde. Solange die Piraten irgendeinem Staat für seine Zwecke nützlich waren, weil sie die rivalisierenden Handelsmächte schädigten, wurden sie mit Ehrungen überhäuft. Brauchte man die Freibeuter jedoch nicht mehr, machte man kurzen Prozess mit ihnen, erklärte Piraterie für illegal und verhängte die Todesstrafe. Große Handelskompanien trafen oft gegen Zahlung hoher Summen Abkommen mit den Seeräubern, damit ihre Schiffe verschont blieben.

In großem Stil hatte z.B. Königin Elisabeth I. von England mit Piraten zusammengearbeitet, als sie den Freibeuter Francis Drake anheuerte und die Ausrüstung einer "Expedition" in die Karibik finanzierte.
Ende 1577 verließ er mit fünf Schiffen und 164 Mann den Hafen von Plymouth und segelte nach Südamerika, wo er spanische Hafenstädte überfiel und ausraubte. Mit nur einem Schiff, der "Golden Hind", traf er nach einer Fahrt rund um den Erdball im September 1580 wieder in Plymouth ein, beladen mit Gold, Silber, Edelsteinen, Seide und Gewürzen. Königin Elisabeth I. kam persönlich an Bord, um die Beute in Augenschein zu nehmen und Francis Drake in Anerkennung seiner Erfolge zum Ritter zu schlagen. Und dann wurde Sir Francis, der sich in den folgenden Jahren in Kämpfen gegen die Spanier auszeichnete, zuletzt als Vizeadmiral bei der Vernichtung der Armada im Jahre 1588, Bürgermeister von Plymouth und Mitglied des Parlaments.
 

Piraten heute

„Teuer erkaufte Freiheit“ – Süddeutsche Zeitung 28. April 2008
Sechs Tage lang war die Crew eines spanischen Kutters in der Gewalt von Piraten - nach Zahlung von 1,2 Millionen Dollar ist sie nun frei

Madrid - Es war Samstag, kurz nach 17 Uhr mitteleuropäischer Zeit, als der Albtraum der Crew des spanischen Thunfischkutters Playa de Bakio im Indischen Ozean vorbei war. Sechs Tage lang waren die 26 Männer vor der Küste Somalias in den Händen von Piraten; als es dunkel wurde, verließen diese das Schiff auf Schnellbooten, stiegen an der Küste in Mietautos um und flohen in ihre Dörfer. Offenbar sind sie um 1,2 Millionen Dollar (766 000 Euro) reicher. Der Hafenchef von Haradhere, Abdi Khalif Ahmed, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dies sei der Betrag gewesen, der den Piraten in einem Boot gebracht worden sei.
Spaniens Regierung, die eine Fregatte der Marine nach Somalia entsandt und von befreundeten Ländern, darunter Deutschland, militärische Unterstützung erhalten hatte, wollte die Zahlung weder bestätigen noch bestreiten. Vizeregierungschefin Maria Teresa Fernandez de la Vega erklärte nur, die Freilassung sei ‚durch die gemeinsamen Bemühungen der spanischen Regierung und der Eigentümer des Bootes’ sowie ‚diplomatische Bemühungen’ zustande gekommen. Aus diplomatischen Kreisen in Madrid hieß es, die USA hätten Informationen über den Standort der Piraten geliefert. Die Playa de Bakio steuert unterdessen die Seychellen an. Von dort soll die Crew in ihre Heimat gebracht werden.

Ignacio Abal, der erste Offizier des Kutters, erklärte der Nachrichtenagentur Efe, der Moment der Befreiung sei ‚kritisch und spannungsgeladen’ gewesen. Die Entführer hätten Angst gehabt, auf der Flucht von der 22 Meilen entfernten Fregatte beschossen zu werden. Spaniens Regierung stellt den Entführern offenbar weiterhin nach. ‚Unsere Nachrichtendienste sind weiterhin tätig’, sagte Fernandez de la Vega. Abal berichtete, die 13 Spanier und 13 Afrikaner seien von ihren Peinigern insgesamt vernünftig behandelt worden. Jedoch seien ständig Maschinengewehre auf sie gerichtet gewesen. Wenn man den Entführern nicht gehorchte, ‚drohten sie mit Gesten, dir die Kehle durchzuschneiden’.

Der Informationsminister der somalischen Übergangsregierung, Ahmed Abdisalam Adan, drückte in der Zeitung El Mundo seine Freude über das Ende der Entführung aus. Die Regierung bedauere, dass die Piraten die Instabilität in Somalia ausnützten, um Schiffsfahrer zu terrorisieren. Man sei aber ‚gleichfalls besorgt, dass viele ausländische Schiffe ohne jede Erlaubnis fischen’. Abdisalam Adan ließ offen, ob er sich auf die Playa de Bakio bezog. Es seien ‚insbesondere europäische Schiffe, die illegal in unseren Gewässern fischen und unseren natürlichen Ressourcen einen großen Schaden zufügen’. Am Hörn von Afrika gibt es häufig Überfälle von Piraten, allein 2007 mehr als 25 vor der Küste Somalias.

Zur Stückauswahl

Gesucht haben wir ein großes Theaterstück, das sich im Thema und in der Erzählweise vor allem an die Jungs wenden sollte. Denn wir Theatermacher wissen alle, in unserer gesellschaftspolitischen Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen müssen wir uns vor allem um die Jungs kümmern. Für die allgemeine emotionale und kulturelle Verwahrlosung in weiten Teilen der Gesellschaft zeigen sich hauptsächlich die Jungs sehr anfällig. Ob vor der Konsole, dem Computer oder später beim „Flat-Rate-Saufen“, immer sind es zu großen Teilen die Jungs, die in diesen Grenzwelten etwas suchen, was Sie woanders nicht mehr finden. Mädchen lesen gern, gehen freiwillig ins Theater und finden auch darüber hinaus leichteren Zugang zu den zivilisationsbildenden kulturellen Angeboten in unserem Land.

Wir meinen, dass „Die Ostindienfahrer“ ein ernsthafter Beitrag sein kann, vor allem Jungs durch die ursprüngliche Kraft eines direkten Theatervorgangs nicht nur von der Faszination Theater zu überzeugen, sondern auch und vor allem emotional und kulturell zu bilden.
 

Zur Inszenierung

Die Raum-Bühnenlösung der Inszenierung lässt an Direktheit keine Wünsche offen. So sitzt man als Zuschauer mit auf dem Schiff und erlebt diese spannende Schiffsreise als „Passagier“ hautnah mit. Mehr direkte räumliche Nähe ist schwer möglich.
Die Unmittelbarkeit der darzustellenden Abenteuer machte eine spezielle Erzählweise notwendig. So haben wir uns entschieden, viele der auf einem Schiff existentiellen Handlungen, wie Segeln bei Sturm oder Segeln (Ablegen) aus dem Hafen heraus, aber auch das Niederschlagen eines Piratenüberfalls u.v.m., nicht durch eine abstrakt-verfremdete Übertragung darzustellen, sondern mit realistischen, stark Körper betonten Darstellungsweisen bühnenwirksam zu erzählen.

So wird man z.B. durch das Ausführen realistischer Segelmanöver auf unserem „Bühnenschiff“ in eine Vorstellungswelt versetzt, in der man meinen könnte, tatsächlich zu segeln. Eine Faszination, der man sich schwerlich entziehen kann. Und die Darstellungskraft, der eigens von einem Kampftrainer einstudierten Kampfszenen, wird die Wenigsten unberührt lassen.
All das sind Wege und Mittel, diesem Seefahrerstück - mit seiner einmaligen Mischung aus Abenteuer, Nervenkitzel und der Suche nach Gerechtigkeit - die nötige Emotionalität und Lebendigkeit zu verleihen.

Seemännische Begriffe

- Abfallen = Den Kurs eines Schiffes so ändern, dass der Wind fast oder ganz von hinten in die Segel fällt
- Back = Das erhöhte Vordeck
- Backbord = Linke Schiffsseite, wenn man von hinten nach vorne schaut
- Branntwein = Destillat aus Wein
- Bug = Der gerundete vordere Teil eines Schiffes
- Bugspriet = Eine starke Spiere am Bug eines Schiffes
- Cádiz = Stadt in Südspanien
- Chinesischer Zollmandarin = Chinesischen Kaufmann mit besonderen Rechten. So hatten die zehn Mitglieder von Co-Hong – dem Verbund der Kaufleute von Kanton – das alleinige Privileg vom Kaiser bekommen, mit den Europäern Handel zu treiben.
- Faden = Ein englisches, besonders früher gebräuchliches Längenmaß; 1 Faden = 6 Fuß = 1,83 m
- Fall = Ein reckarmes Tau zum Niederholen und Aufziehen von Segeln (Mehrzahl: Fallen)
- Fieren = Eine schwebende Last langsam absenken, oder anders: Lose-Geben einer Leine
- Fock = Vorsegel, vor dem Mast
- Gallionsfigur = Eine meist aus Holz geschnitzte (hauptsächlich Frauen-) Figur, in der Regel unter dem Bugspriet angebracht
- Glasen = Uhrzeit; Die Glasenuhr gibt in der Schifffahrt durch Glockenschläge die Uhrzeit an. Zur Zeitmessung wurden ganz früher Kerzen eingesetzt, die zum Schutz vor Wind und wegen der Feuergefahr in hohen Gläsern standen. In regelmäßigen Abständen waren Kugeln in den Rand gepresst. An den beim Abbrennen verbliebenen Kugeln konnte man die Zeit abschätzen. Kam die Kugel in den Schmelzbereich, fiel sie hörbar in das Glas – es glaste jeweils nach Ablauf einer halben Stunde. Die Kerzen hatten eine Brenndauer von gut vier Stunden. Fiel die achte Kugel ins Glas, war es Zeit für den Wachwechsel. Die nächste Wache zündete eine neue Kerze an. Aus Tradition und aus praktischen Erwägungen hat man den Glasenschlag auf vielen Schiffen beibehalten. Der Glasenschlag wird vom Wachhabenden an der Schiffsglocke für alle hörbar in einem festgelegten Rhythmus angeschlagen. Jede volle Stunde erfolgt ein Doppelschlag, jede halbe Stunde ein einzelner Schlag. 
- Heuer = Ausbezahlter Lohn der Seeleute
- Hundewache = Bezeichnung für die Wache von Mitternacht bis vier Uhr morgens. Sie gilt als die unbeliebteste Wache, weil sowohl der Abend als auch der Morgen zu kurz sind, um ausreichend schlafen zu können.
- Kajüte = Wohnraum für Kapitän und Offiziere
- Kalter Brand = Bezeichnet das Absterben einzelner Teile im lebendigen Organismus. 
- Kanton = Stadt in Südchina; 1757-1842 war Kanton (heute Guangzhou) der einzige Handelshafen, in dem Ausländern vertraglich das Recht zugesichert worden war, Handel treiben zu dürfen. Heute ist Kanton eine Stadt mit 3.152.825 Einwohnern.
- Kiel = Unterste Längsversteifung des Schiffes 
- Kielholen = Eine Strafe für einen Seemann, bei der der Bestrafte an einem Seil unter dem Schiff durchgezogen wurde. Sie endete, angesichts der schweren Verletzungen, die durch raue Ablagerungen wie Seepocken und scharfschalige Entenmuscheln am Schiffsrumpf entstanden, oft tödlich.
- Klüver = Der Klüver ist ein dreieckig geschnittenes Segel, das am Klüverbaum vor dem Bug gefahren wird.
- Klüverbaum = Schräger Mast an der Spitze des Schiffes
- Kojen = Schlafstätte (Bett) an Bord
- Kombüse = Schiffsküche
- Kompass = Messgerät zur Bestimmung einer Himmelsrichtungen
 

- Last = Maßeinheit, die ursprünglich die Menge an Getreide bezeichnete, die von einem von vier Pferden gezogenen Fuhrwerk transportiert werden konnte. Vereinfacht kann man sagen: 1 Last = 4000 Pfund = 2000 Kilogramm = 2 Tonnen
- Lee = Die dem Winde abgekehrte Seite
- Logbuch = Vom Kapitän geführtes Schiffstagebuch
- Lot = Vorrichtung zum Messen der Wassertiefe. Man kann mit seiner Hilfe Untiefen frühzeitig erkennen und eventuelle Maßnahmen gegen ein Aufgrundlaufen einleiten. Als Navigationshilfe ist es auch zu verwenden. So kann man, wenn die Tiefenlinien der Seekarte bekannt sind, mit seiner Hilfe den Standort überprüfen. Das Handlot ist ein Senkblei von 5 kg Gewicht mit einer Höhlung an der Unterfläche für das Gewinnen einer Bodenprobe am Meeresboden. Die gemessene Tiefe (Tiefenlinie) ergibt zusammen mit der Kenntnis der Grundbeschaffenheit des Meeresbodens eine Möglichkeit der Ortsbestimmung. In die Lotleine sind alle 2 m farbige Marken eingeflochten. Außerdem sind alle 10 m Lederstreifen mit der entsprechenden Anzahl Löcher eingelassen.
- Luke = Öffnung im Deck oder in der Schiffswand
- Luv = Die dem Wind zugewandte Seite 
- Madagaskar = Viertgrößte Insel der Welt, süd-östlich von Afrika gelegen; sie wird auch wegen ihrer lange isolierten Entwicklung der „sechste Kontinent“ genannt.
- Neunschwänzige Katze = Eine Riemenpeitsche mit neun geflochtenen Tauenden
- Pull = Ein einzelner, meist ruckartiger Zug an einem Riemen
- Pullen = Rudern
- Reede = Ankerplatz außerhalb des Hafens
- Reling = Ein Geländer um ein freiliegendes Deck oder um Decksöffnungen
- Schot = Tau, mit dem man das Segel so stellt, wie es die Richtung des Windes erfordert. 
- Silberpiaster = Bezeichnung einer alten spanischen Münze von hohem Wert
- Spiere = Jede Art von Rundholz
- Steuerbord = Rechte Schiffsseite, wenn man von hinten nach vorne schaut
- Tampen = Ende eines Taues
- Takelage = Der generelle Ausdruck für sämtliches Tauwerk eines Schiffes
- Übertakelt = Sagt man, wenn der Mast zu lang ist
- Vormast = Der vorderste Mast eines Schiffes
- Wanten = Taue zur seitlichen Abstützung der Masten

Dirk Engler

Der Regisseur Dirk Engler ist in München vor allem als Mit-Begründer und Leiter der Halle 7 bekannt, wo er in den Jahren 2001 bis 2006 vielfach inszeniert hat.
Er ist Jahrgang 1968, wurde in Braunschweig geboren und studierte an der Otto-Falckenberg-Schule Regie. Zwischen 1994 und 1998 war er Regieassistent an den Münchner Kammerspielen und inszenierte dort "Totentrompeten" von Einar Schleef.
Er arbeitet am Teamtheater und am Metropoltheater in München, in Braunschweig, Kassel, Erlangen, Landshut, Bochum, Lübeck, Ingolstadt.

Peter Dachsel

Der Bühnenbildner Peter Dachsel wurde 1956 in Dresden geboren. 
Er studierte Bühnenbild bei Wilfried Minks an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg und war von 1991 bis 1994 Bühnenbildassistent am Schauspielhaus Hamburg. Seitdem arbeitet er als freiberuflicher Bühnenbildner, Filmarchitekt und Bildhauer.
Neben seiner Beteiligung an vielen internationalen Projekten in (fast) ganz Europa und Südamerika war er für das Burgtheater Wien, das Schauspielhaus Hamburg, die Kunsthalle Hamburg, die Deichtorhallen Hamburg, bei INTERARTES Essen, in Tübingen und Leipzig tätig.

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