Haupt-Reiter
Der Sohn des Chao
Regie, Bühne, Kostüme
Peer Boysen
Mitarbeit - Bühne, Kostüme
Andrea Spanier
Musik
Toni Matheis
Es spielen
Thorsten Krohn
Heio von Stetten
René Dumont
Peter Ender
Klaus Haderer
Stephan Wildfeuer
nach Chi Chün-Hsiang
Deutsch von Wilfrid Grote | Bearbeitung von Ad de Bont
1991 eingeladen zum Deutschen Kinder- und Jugendtheater-Treffen "Augenblick mal!" in Berlin
Nächste Termine
Zum Stück
Bei dem von Ad de Bont bearbeiteten Stoff handelt es sich um ein chinesisches Drama von Chi Chün-Hsiang aus dem 14. Jahrhundert. Die Handlung stützt sich auf eine historische Begebenheit des ausgehenden 7. Jahrhunderts vor Christus.
Fünf Schauspieler schlüpfen in neun verschiedene Rollen und erzählen auf sehr bild- und zeichenhafte Weise eine alte chinesische Geschichte, in der man biblische Motive und Märchenhaftes erkennt. Über die Konfrontation mit Archetypen vermittelt sich die Absurdität und Widersprüchlichkeit menschlichen Denkens und Handelns.
Dem allmächtigen General Tu-An Ku gelingt es durch Verleumdung und einen gefälschten Erlass des Kaisers seinen Gegner, Minister Chao, mitsamt seiner 300-köpfigen Familie zu vernichten.
Übrig bleiben zunächst nur die Frau des Ministers, eine Prinzessin und ihr neugeborener Sohn. General Tu-An Ku will das versteckte Kind beseitigen und beabsichtigt daher alle Neugeborenen im Lande zu töten. In ihrer Not bewegt die Prinzessin den ihr bekannten Arzt Cheng Ying dazu, sich des Kindes anzunehmen.
Der Arzt Cheng Ying opfert seinen eigenen Sohn für das ihm vertraute Kind, den Sohn des Chao. Dieser wächst wohlbehütet am Hofe des Kaisers auf unter der Obhut seines vermeintlichen Vaters, Cheng Ying und der Fürsorge seines Pflegevaters Tu-An Ku.
Nach 20 Jahren erfährt der Sohn des Chao seine wahre Herkunft. Das Strafgericht an dem machtsüchtigen Tu-An Ku wird durch den Kaiser vollzogen.
„Die Waise aus dem Hause des Chao“ von Chi Chün-Hsiang enthält viele in chinesischen Dramen stereotype Motive, ist aber in Europa fast berühmter geworden als in China selbst. Dass es das erste chinesische Drama war, das vollständig in eine europäische Sprache, ins Französische, übersetzt wurde, war dafür ebenso maßgebend wie die Umdichtung des Werks durch Voltaire (L’orphelin de la Chine), der die Auffassung vertrat, „dass es mehr dazu beitrüge, den Geist Chinas kennen zu lernen, als alles, was man über dieses weite Reich erzählt hat und je erzählen wird.“ (Kindlers Lit. Lex.)
Der Autor Ad de Bont
De Bont wurde 1949 in Brabant geboren. Nach dem Abitur studierte er an der Pädagogischen Hochschule in Amsterdam mit einer zusätzlichen Ausbildung in Spiel- und Theaterpädagogik. 1971-75 besuchte er die Schauspielschule und war danach als Schauspieler und Autor bei verschieden holländischen Theatergruppen tätig.
Seit 1982 ist er künstlerischer Leiter des Kindertheaters WEDERZIJDS. Seine Stücke werden viel gespielt und seine Truppe wird immer häufiger zu internationalen Tourneen und Festivals eingeladen. „SCHAUSPIELE 88 – Die Theater der Welt“ in München widmete der Truppe eine Werkschau.
„Ich weiß, dass meine Stücke manchmal schwierig zu inszenieren sind. Sie verlangen die Suche nach Klarheit in den Bildern. Das ist eine ganz harte und lange und präzise Arbeit. Das, was ankommen soll, ist eine ästhetische Frage, eine Frage der Kunst, der Kunst für Kinder. Darum geht es. Alles muss zusammenstimmen, es muss ein Zusammenklang entstehen, dann entsteht Kunst, dann bedeutet das etwas, was da geschieht. An diesem Zusammenklang arbeiten wir immer wieder. Deshalb arbeiten wir mit Stimme, Musik, bildender Kunst, Tanz, Bewegung und Text. Meine Hand ist gleich wichtig wie mein Kopf. Man kann im Theater
nicht nur mit dem Kopf arbeiten. (...) Ich denke, dass für Kinder die Begegnung mit Menschen, die mit Kunst beschäftigt sind, ganz, ganz wichtig ist. (...)
Kunst ist eine bestimmte Art von Umgehen mit der Welt. Mit allem in der Welt. In der Kunst geht es für mich darum, allgemeinen und unbegreiflichen und nicht so genau festzulegenden Dingen eine Form zu geben. Nicht wahr, im Frühling tragen die Bäume vor meinem Fenster wieder Blätter. Das ist eine Wahrheit. Aber was ich fühle, wenn es Frühling wird, das ist keine Wahrheit, das ist etwas Wechselndes. Solche Sachen gibt es viele in der Welt. Wenn das Wasser fest genug gefriert, dann kann man darauf Laufen, da ist sicher. Aber was mit mir geschieht, wenn meine Mutter stirbt, das ist ganz unsicher. Kunst heißt für mich, beschäftigt zu sein mit all diesen Dingen auf der Welt, die nicht sicher sind, aber doch ganz wichtig. In der Kunst können wir einen Moment diese unsicheren und doch ganz wichtigen Dinge berühren, einen kurzen Moment lang. Das kann man immer wieder darzustellen versuchen, und das finde ich ganz wichtig. (...)“
(Aus einem Interview mit Ad de Bont, „Tatr, Zeitung für alle“, März 1989)
Peer Boysen zum Stück
„An dem Stück hat mich folgendes interessiert:
- die starre Form, die Kraft der Bilder, der musikalische Aufbau, die Einteilung in Sing-, Rezitativ-, Spiel- und Erzählform, die Möglichkeit, mit einem Musiker zusammenzuarbeiten, die Fremdheit durch das Nichtnachvollziehbare, die Direktheit durch das Zeichenhafte, die einfache Behauptung von Gut und Böse, die Konfrontation mit Archetypen, die Behauptung von Theater schlechthin.
- die musikalische Struktur und Einteilung:
sie erinnert in ihrer Konsequenz an die einer klassischen Komposition. Figuren werden wie Themen behandelt, Akte wie musikalische Sätze, Absätze wie Sequenzen, gesprochene Sätze wie musikalische Figuren gegeneinander, hintereinander, übereinander gestellt. Die Zahl Drei spielt eine übergeordnete Rolle (ähnlich wie in der klassischen Sonate). Es handelt sich nicht zuletzt um die Bearbeitung einer chinesischen Oper.
- die Figuren: die Rollen werden durch Aneinanderreihung unterschiedlichster Situationen zu Figuren; mehr holzschnittartig,
mehr mit dem harten, groben Pinsel, mehr fragmentarisch, weniger fein, weniger subtil, weniger psychologisch – wenngleich deswegen nicht weniger genau, behutsam und sensibel. Das Stück splittert die jeweilige Figur auf in einzelne Teile, wie ein Prisma das Licht in die Spektralfarben. Der Betrachter darf es zusammenfügen zu einem Ganzen. Je härter man die einzelnen gegeneinander absetzt, umso reichhaltiger wird die Eigenart der Figur. Je präziser man das zeigt, umso deutlicher wird die Eigenart des gesamten Stücks, das letzten Endes unverständlich und fremd bleibt und einen deswegen so seltsam berührt. Der Betrachter ist der Erkennende, nicht die Figur auf der Bühne ist die sich erkennende.
- der Autor (so wie ich ihn über das Stück erfahre):
die Klarheit seiner Gedanken, die Farbigkeit, die Genauigkeit, die Spielfreude, das Unverkrampfte, die Leichtigkeit, der Wille zur absoluten Theaterbehauptung.
- diese Geschichte für Kinder zu erzählen: Es ist die Wahrheit, grausam und wahr und alt.“