Der König hinter dem Spiegel

von Rudolf Herfurtner

Regie und Ausstattung
Peer Boysen
Lichtdesign
Hans-Peter Boden
Es spielen
Regina SpeisederThorsten KrohnNick-Robin DietrichMarkus CampanaLucca Züchner
Musiker/Geräusche
Greulix Schrank
Klavierspiel
Nick-Robin Dietrich

Spielort

Großer Saal

Dauer

80 Minuten

Alter

Ab 8 Jahren

Premiere

11. Oktober 2014

Nach mehr als 50 Vorstellungen zeigen wir die gemeinsame Abenteuerreise von sechs Vögeln zu ihrem geheimnisvollen König Simurgh Anfang April zum letzten Mal.

Nächste Termine

„Vogelgespräche“

Inspiriert wurde der renommierte Münchner Autor Rudolf Herfurtner zu seinem Stück Der König hinter dem Spiegel von dem wohl schönsten persischen Epos des 12. Jhds.: „Vogelgespräche“ von Fariduddin Attar. Das Epos berichtet von Simurgh, einem Fabelwesen, das durch Leiden und Leidenschaften zu Wahrheit Selbsterkenntnis gelangte und zum König aller Vögel wurde.
Als eine fabelhafte, allegorische Darstellung beschreibt Attar in seinem 4647 Zeilen langen epischen Gedicht eine Wallfahrt von Tausenden von Vögeln der Welt, die sich auf eine beschwerliche Reise begeben, um ihren idealen König zu suchen – dem Vogel Simurgh. Übrig bleiben nur dreißig Vögel. Am Reiseziel angekommen erkennen die Vögel, dass sie selbst der gesuchte König sind. Der persische Name „Simurgh“ bedeutet getrennt geschrieben
sinnhaft in diesem Zusammenhang, „si murgh“ – „dreißig Vögel“.
Auffällig bei Attar ist, dass die Vögel von Zeit zu Zeit ihren eigentlichen Vogelcharakter immer mehr verlieren und zusehends zu Menschen werden. So beginnen sie zusehends von 'Mund' und 'Beinen' zu sprechen, wodurch sich eine schelmisch-nachdenkliche Verwirrung zwischen uns und den Vögeln einstellt.
Bei Rudolf Herfurtner ist aus der Vorlage von Attar ein Stück herausgekommen, das der Suche nach dem Vogelkönig Simurgh und der Ambivalenz zwischen Vögeln und Menschen Rechnung trägt, wenngleich es keine dreißig oder gar Tausende Vögel sind. Es ist ein Stück über Freundschaft und Zusammenhalt, Neugier und Mut und übers Heranwachsen, an dem die ganze Familie Vergnügen haben wird.

Das Stück

Man erzählt sich, dass einst, in einer Zeit vor unserer Zeit, als Vögel und Menschen noch die gleiche Sprache sprachen, irgendwo zwischen Kaukasus, Elbrus-Gebirge und Hindukusch, der König aller Vögel sein Nest hatte. Simurgh nannten die Vögel ihren König. Ausgestattet mit göttlichen Kräften soll er einem Fabelwesen gleichend wie Phönix über den Himmel geflogen sein und dabei einen großen Schatten auf die Welt geworfen haben, aus dem alle und alles entstanden ist. Keiner der Vögel hatte Simurgh jemals gesehen, so dass man ihn fast vergessen hatte.
Aber nun fällt in China eine seiner Federn vom Himmel und die Vögel beginnen, sich wieder an Simurgh zu erinnern. Mehr noch: Als ob es ein Weckruf ist, erfasst eine längst verloren geglaubte Sehnsucht nach ihrem König die Vögel. Nachtigall ist die erste, die dem geheimnisvollen Rufen aus der Ferne verfällt. In ihrem
Käfig sitzend, springt wie von Zauberhand die Käfigtür auf. Schatten, seltsame Klänge, gleißendes Licht, geheimnisvolle Stimmen: Klug, wie sie ist, versteht sie sofort und bricht auf, um wiederzufinden, was sie, wie sie sagt, „nie gesehen, nie gehört, aber immerzu nur gespürt“ hat.
Und so beginnt eine abenteuerliche Reise, auf der sie anderen Vögeln begegnet. Mit Überzeugung und Hintersinn versteht es die Nachtigall, Spatz, Steinhuhn, Schwan, Geier und Fledermaus für dieses große Ziel zu gewinnen. Doch der Weg zum Ziel ist steinig. Wüsten, Ozeane und Gebirge müssen sie überqueren. Gemeinsam wachsen sie aber über sich hinaus und erreichen das Ziel. Was sie dort zu sehen bekommen ist so überraschend, dass es alle und alles verändert.

Epilog

Im Schlussbild wird die Erkenntnis greifbar, in der sich jeder Zuschauer finden kann. Die Erkenntnis, die uns Menschen Mut macht, das eigene Leben mit anderen zu teilen – egal, wie verschieden man auch ist. Die Erkenntnis, die den Zusammenhalt unter den Menschen als ein sich lohnendes humanistisches Ziel versteht. Aber auch die Erkenntnis, die verdeutlicht, dass der Weg, und sei er noch so steinig, wesentlich ist, um Erfahrungen

zu machen und Erkenntnisse zu erlangen. Denn am vermeintlichen Ziel angekommen, stellt man fest, dass es die Reise war, die einen verändert hat und man somit vor einer neuen Reise steht. Jeder einzeln und alle zusammen. Zumindest wäre das ein Gedanke, mit dem uns das Stück am Ende aus dem Theater wieder entlässt.

Kostüme

Da die handelnden Figuren des Stücks Tiere sind, ergab sich für uns sofort die Frage nach dem Aussehen: Wie sollen auf einer Theaterbühne fünf Vögel und eine Fledermaus aussehen, ohne im realen Abbild von Tieren sein Unheil zu finden und ohne die Fantasie des Zuschauers zu unterfordern? Da aber in den handelnden Tierfiguren Charaktere von Menschen stecken, war die Lösung klar: Menschenkostüme, die sich in ihrer klaren Zuordnung zu einem realen Menschen sofort mit dem jeweiligen Tiercharakter

bestens verbinden lassen. Darüber hinaus sind die Kostüme in einer Grundfarbe gehalten, die der Farbe des jeweiligen Tieres entspricht. Deswegen heißt bei uns die Nachtigall – die Braune, die Fledermaus – die Schwarze, der Spatz – der Gescheckte, das Steinhuhn – das Getupfte, der Schwan – der Weiße und der Geier – der Schillernde. Die Kostüme, voller Schönheit und Strahlkraft, locken die Fantasie jeden Zuschauers heraus, egal ob er Menschen oder Tiere erkennen will.

Musik

Da das Stück nicht nur eine Reise um die Welt ist, sondern sich die handelnden Figuren auch in Situationen wiederfinden, in welchen sie sich gegenseitig Mut machen, Trost spenden oder nur noch von der Hoffnung selbst überleben können, lag es nahe, der Inszenierung eine musikalische Ebene zu verleihen, die den Figuren in ihren entsprechenden Notsituationen helfend beisteht. Und was liegt da näher als ein gesungenes Lied? So durchzieht die Inszenierung eine Fülle an Liedern (siehe Liederliste). Mal melancholisch oder traurig, mal freudig oder Mut machend. Meist sind es alte vergessene Schlager oder Volkslieder, die live gesungen von einem Pianisten begleitet werden. Das ist nicht nur schön anzuhören, sondern verschafft dem Zuschauer noch mehr Raum für eigene Gedanken und Bilder.
Darüber hinaus gibt es in unserer Inszenierung einen Geräuschemacher, der die Atmosphäre des jeweiligen Ortes oder einer konkreten Handlung mit diversen Klängen vor unserem inneren Auge entstehen lässt. So wird man wie von unsichtbarer Hand in die Tiefe der Handlung hineingezogen.

Lieder in szenischer Reihenfolge:

1. „Frag' den Abendwind“
Musik: Gordini Fred
Text: Joachim Relin

2. „Weit hinter den Bergen“
Albanisches Volkslied
Deutscher Text: Otto Ruthenberg

3. „Fata Morgana“
Musik: Erste Allgemeine Verunsicherung
Text: Thomas Spitzer

4. „Heimweh“
Musik und Originaltext: Terry Gilkyson, Frank Miller, Richard Dehr
Deutscher Text: Ernst Bader, Dieter Rasch

5. „Das Karussell“
Musik: Michael Jary
Text: Hans Fritz Beckmann

6. „Wir wollen niemals auseinander gehen“
Musik: Michael Jary
Text: Bruno Balz, Gloria de Voss

7. „Die Gedanken sind frei“
Deutsches Volkslied
Musik: Ernst Heinrich Leopold Richter
Textversion: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

Fariduddin Attar

In der Beschäftigung mit Rudolf Herfurtners Stück haben wir uns auch mit der Vorlage zu seinem Theaterstück aus dem 12. Jhd. – den „Vogelgesprächen“ von Fariduddin Attar – beschäftigt. Getreu der persischen Tradition hat dieser darin eine Fülle von Anekdoten und kleinen Märchen eingeflochten – man schätzt ca. 150, die an bestimmten Stellen sehr bildhaft und verzaubernd

schön den jeweiligen Vogel in seiner unausweichlichen Situation beschreiben. Durch ihre Kürze und märchenhaften Sprachduktus hielten wir diese wie geschaffen dafür, um jeder Figur zusätzlich Raum zu geben, damit sie dem Zuschauer von seinen inneren Kabalen berichten kann. Das sorgt durch ihre alte und bildhafte Sprache für zusätzlichen Genuss.

Zur Inszenierung

Die Inszenierung bedient sich einer Vielzahl an Theatermitteln, die wohl dosiert alle zum Ziel haben, den unbekümmerten Zuschauer auf diese wundersame Reise zu schicken, die die handelnden Figuren für alle stellvertretend auf der Bühne bestreiten. Dabei ergänzen sich die Handschriften der beiden Theatertitanen

Herfurtner/Stücktext und Boysen/Regie geradezu ideal. Wie in einer Schule des Sehens werden dabei beim Zuschauer Augen, Ohren, Gefühle und Fantasie angeknipst. So kann man erleben, was man alles erleben kann, obwohl alles nur Theater ist.

Rudolf Herfurtner

Rudolf Herfurtner wurde 1947 in Wasserburg am Inn geboren. Nach seinem Studium der Germanistik, Romanistik und Theaterwissenschaften in München arbeitete er ab 1971 für eine Tageszeitung. Ab 1973 erschienen seine ersten Veröffentlichungen. Rudolf Herfurtner gehört zu den bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautoren Deutschlands und wurde mit einer Vielzahl an Preisen ausgezeichnet. So z.B. 1990 den Grimme-Preis für das Drehbuch zum Film „Brausepulver“, 1996 den Deutschen Kindertheaterpreis für das Stück „Waldkinder“. Sein Stück Spatz Fritz, das seit 2007
auf dem Spielplan der Schauburg steht, ist 2000 mit dem Preis der Bayerischen Theatertage prämiert worden. Die Akademie für Kinder- und Jugendliteratur Volkach verlieh ihm 2003 den Großen Preis für sein Gesamtwerk.
Sein Stück Das Geschenk des weißen Pferdchens ist im Auftrag für die Schauburg entstanden und hat 2010 im Rahmen des 13. niederländisch – deutschen Kinder- und Jugendtheaterfestival „Kaas & Kappes“ einen Stückpreis erhalten.

Peer Boysen

Peer Boysen, geboren 1957 in Bochum, Sohn des Schauspielers Rolf Boysen, wuchs in München und Hamburg auf.
1979 begann er seine künstlerische Tätigkeit als Bühnenbild- assistent in Nürnberg, am Residenztheater München und den Münchener Kammerspielen. Vier Jahre später wurde er festan- gestellter Bühnenbildner am Staatstheater Mainz. Ab 1987 war Boysen als Bühnenbildner freischaffend tätig, u. a. in Ulm, Stuttgart, Gießen, Kaiserslautern, Hannover, München und Wien.
1990 bestritt er seine erste Regiearbeit mit Der Sohn des Chao an der Schauburg. Weitere Inszenierungen seit dieser Zeit an der Schauburg: einfach anklicken. Zudem verfasste Boysen Libretti und eigene Stücke, wie z. B. Orfeus, Die Regentrude, den 3-Teiler Prinz Eisenherz (Prinz Eisenherz-Teil 1, Prinz Eisenherz-Teil 2,
Die Suche nach dem Gral) u.v.m. für die Schauburg oder „Ein Theater nach der Mode“ gemeinsam mit Kobie van Rensburg für das Staatstheater am Gärtnerplatz München.
Seit 2012 ist er Hochschuldozent an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz.
Weitere Regiearbeiten in Freiburg und an den Münchner Kammerspielen; Opernregie in Wiesbaden, Wien, Weimar, Mainz, Innsbruck, dem Staatstheater am Gärtnerplatz und der Semperoper in Dresden.
Peer Boysen gehört seit seiner ersten Regiearbeit 1990 zu den stilprägenden Hausregisseuren der Schauburg und hat wie kein Anderer das ästhetische Gesicht dieses Theaters bis heute entscheidend mitgeprägt.

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