Haupt-Reiter
Seiten, die auf Das Kabinett des Dr. Caligari verweisen
Nach dem Film von Robert Wiene
Regie:
Peter Ender
Ausstattung:
Ute Werner
Musik:
Toni Matheis
Es spielen:
René Dumont, Heio von Stetten, Brenda Wolff, Christoph Gareißen, Alfred Sieling, Elena Rublack
Musiker:
Enrique Ugarte
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Die Handlung
Die Mitte der 80er Jahre entstandene Bühnenfassung von Carlos Trafic setzt die Handlung des 1919 gedrehten Stummfilmklassikers „Das Kabinett des Dr. Caligari“ theatralisch um. Es zeigt sich, dass der Stoff der Handlung – das Spiel mit den verschiedenen Realitätsebenen – äußerst bühnenwirksam ist.
In Holstenwall ist Jahrmarkt und der Schausteller Dr. Caligari führt eine besondere Attraktion vor: Cesare, einen Somnambulen, der sein Leben in einem todesähnlichen Schlaf verbringt und nur durch die hypnotische Beeinflussung seines Meisters Caligari zum Leben erwacht. Bevor Caligari Cesare zur Schau stellt, ersucht er einen städtischen Beamten um eine Genehmigung. Der Beamte wird am nächsten Tag tot aufgefunden.
Der junge Francis und sein bester Freund Alain besuchen eine Vorstellung des Hypnotiseurs. Der Somnambule Cesare wird von Caligari aus seinem Tiefschlaf erweckt und ist bereit, Fragen aus dem Zuschauerraum zu beantworten. Alain fragt das Medium: „Wie lange werde ich noch leben?“ und Cesare antwortet: „Bis zur Dämmerung!“ Die Prophezeiung erfüllt sich.
Francis stellt Nachforschungen über die mysteriösen Ereignisse an. Er verdächtigt Dr. Caligari, trifft seinen toten Freund Alain und einen Mörder, der kein Mörder ist. Am Ende einer wilden Verfolgungsjagd flieht Caligari in ein Irrenhaus. Francis scheint am Ziel seiner Ermittlungen im Fall Caligari angelangt zu sein: Es stellt sich heraus, dass Caligari mit dem Direktor, der mit Hilfe hypnotischer Beeinflussung die totale Manipulierbarkeit von Somnambulen nachweisen will, identisch ist. Doch inzwischen zählt auch Francis zu den Insassen des Irrenhauses und unterliegt den dort geltenden Gesetzen der Realität.
Vom Cabinett zum Kabinett
Das ursprüngliche Manuskript zum Drehbuch wurde von H. Janowitz und C. Mayer geschrieben. Janowitz hatte den Ersten Weltkrieg als Offizier miterlebt und erfahren, wie eine mächtige Staatsautorität die allgemeine Wehrpflicht einführte und schließlich den Krieg ausrief.
‘Caligari‘ galt Janowitz/Mayer als Bild für diese allmächtige Staatsautorität, deren einziges Streben die Machterlangung und –ausübung war. So wie Caligaris Ziel nicht der Mord, sondern die unbegrenzte Macht über einen Menschen ist. In der ursprünglichen Fassung wird diese irrationale Gewalt durch die ‘Vernunft‘, den wahrheitssuchenden Francis entlarvt.
Verfilmt wurde die Geschichte anders: durch die Einführung der Rahmenhandlung, die die Geschichte in einer psychiatrischen Klinik beginnen und enden lässt, wird die Handlung zur Erzählung eines Wahnsinnigen, deren Wahrheitsgehalt dadurch relativiert wird.
Was ist damals geschehen? Aus einem Text über die MACHT wurde ein Text über die WAHRHEIT. Die Veränderung des ursprünglichen Drehbuchs spiegelt für Krakauer den allgemeinen „Rückzug in die von einer Schutzhülle umgebene Innenwelt“ als eine für die damalige Zeit typische Erscheinung.
Um die vereinfachende Interpretation, dass die Geschichte von Caligari nur der Phantasie eines psychisch gestörten Menschen (Francis) entspringt, auszuschließen, haben wir die im ‘Irrenhaus‘ angelegte Rahmenhandlung reduziert. Damit werden beide Lesearten möglich: Die Geschichte kann eine ausgedachte Geschichte des Francis sein, ebenso aber kann Caligari tatsächlich Mörder sein.
Das Bühnenbild und die Figuren
Die Geschichte des Dr. Caligari hat ihre eigene Realität. Die Gesetzmäßigkeiten des Raumes sind ‘unserer Welt‘ entnommen, haben jedoch auf der Bühne ihre eigene Bedeutung. Ein Beispiel dafür ist der überdimensional große Tisch im Bühnenbild. Wir erkennen den Tisch, aber auf der Bühne wird er nie als solcher benutzt. Derartige gegenständliche Zitate werden eingeführt, besitzen aber keine Tiefe, sondern bleiben zweidimensional.
In ähnlicher Weise werden die Figuren abgebildet: sie stecken im BühnenBILD, sind Menschenschablonen, BILDER von Menschen. Wir erkennen sie wieder: die Liebenden, die Schlafenden, Freunde, Ärzte und Hypnotiseure. Sie begegnen sich im Bühnenbild, verhalten sich zueinander, aber nicht so, wie wir es gewohnt sind. Sie folgen ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten. Selbst ihre erlebten Gefühle sind nur Zitate aus der Wirklichkeit. Wir erkennen ihre Gefühle und Eigenschaften: Liebe, Eifersucht, Machtstreben..., jedoch kann man sich auf das, was man sieht, nicht verlassen.
Die Dinge, die auf der Bühne passieren, sind für sich nicht absurd, sie folgen lediglich ihren eigenen Gesetzen. Dieses Schaffen einer ganz und gar eigenen Realität, eines Spielraums, in dem neue, ungewohnte Dinge entstehen können, ist das Charakteristische dieser Produktion.