Das Trollkind

Seiten, die auf Das Trollkind verweisen

Dramatisiert: Göran Tunström
Übersetzt: Dirk H. Fröse
2007 eingeladen zum Deutschen Kinder- und Jugendtheater-Treffen "Augenblick mal!" in Berlin
Regie
Johannes Schmid
Bühne und Kostüme
Michael Kraus
Musik
PORTMANTEAU
Choreographie
Birgitt Paulus
Es spielen
Tamara Hoerschelmann, Marie Ruback, Oliver Bürgin, Sebastian HofmüllerStefan Maaß
Musiker
Taison Heiß von PORTMANTEAU, Greulix Schrank von PORTMANTEAU

Dauer

75 Minuten

Alter

Ab 9 Jahren

Premiere

22. April 2006

Eine Bauernfamilie reitet durch den Wald. Da scheut ihr Pferd und sie lässt vor Schreck ihr Kind fallen. Eine Trollfrau im Gebüsch vertauscht das Menschen-Kind mit ihrem eigenen Troll-Kind und verschwindet. Nachdem das Ehepaar ihr eigenes Kind nicht finden kann, nehmen sie das hässliche Trollkind bei sich auf. Doch diese Aufgabe scheint unlösbar schwer: Das Trollkind isst nicht, was Menschen essen, es brüllt wie am Spieß und ist auch sonst ein garstiges Wesen. In ihrer Verzweiflung planen die Eltern Schlimmes...

Nächste Termine

Trolle

„Trolle essen Frösche. Trolle essen Mäuse und Schnecken und Würmer.“
(Selma Lagerlöf, "Das Trollkind")

Trolle – das sind fremdartige Wesen mit unheimlichen Verhaltensweisen und Vorlieben. Bei unseren skandinavischen Nachbarn kennt sie jedes Kind. Die Tradition der germanischen Mythologie ist dort im Volksglauben so fest verankert, dass Wesen aus der Sagenwelt Bestandteil der Natur und somit des täglichen Lebens sind.

Hierzulande kennt man sie einerseits aus der klassischen Märchenliteratur, mittlerweile aber eher aus dem Fantasy-Genre, denn sie spielen nicht zuletzt in Tolkiens „Herr der Ringe“ eine wesentliche Rolle.

Wie man sich einen Troll genau vorzustellen hat, ist dabei allerdings gar nicht so einfach, zu unterschiedlich sind die Angaben und Beschreibungen in den jeweiligen Vorlagen: Trolle können wie in Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter“ ganz zwergenhaft klein sein, meist aber sind sie von riesenhafter Gestalt. Sie leben häufig in Wäldern, manchmal aber auch in Sümpfen oder auf Bergen. Trolle sehen überwiegend häßlich aus, sind schmutzig und in ihrem Wesen im Gegensatz zu anderen Sagengestalten wie Elfen oder Feen eher negativ besetzt. Ihre Motive sind meist bösartig und Menschen gegenüber sind sie wenig wohlgesonnen.

Am furchterregendsten ist wohl die weitverbreitete Annahme, dass Trolle nachts aus purer Boshaftigkeit den Menschen Kinder stehlen. Manchmal vertauschen sie dabei aber auch einfach die Kinder, lassen also ein Trollkind zurück und nehmen dafür ein Menschenkind mit in ihre Welt. Aus einem solchen Tausch geht auch der Begriff Wechselbalg hervor. Diesen Säuglingen oder Kleinkindern werden wie den Trollen ein unfreundlicher Charakter und unschöne Verhaltensweisen nachgesagt. So soll ein Wechselbalg sehr viel und laut schreien und Unmengen an Nahrung vertilgen. Und wie uns das Märchen vom Wechselbalg zeigt, ist es auch sonst für Menscheneltern nicht leicht, ein Trollkind großzuziehen...

Der Inhalt

„Es ging einmal eine Trollfrau durch den Wald...“
(Selma Lagerlöf, "Das Trollkind")

Mit diesen Worten beginnt Selma Lagerlöfs Erzählung „Das Trollkind“, und so beginnt auch in der Arenabühne der Schauburg das von einem Erzähler und zwei Live-Musikern begleitete Märchen. Die Zuschauer sitzen in dieser Bühnenvariante rund um die Spielfläche, die Schauspieler sind ihnen also ganz nah und somit befindet sich das Publikum mittendrin im Geschehen. Diese

Unmittelbarkeit wird durch die atmosphärische Live-Musik von „Portmanteau“ noch zusätzlich emotional verstärkt.
Erzählt wird die Geschichte eines jungverliebten Paares, einem Bauern und seiner Frau, das mit seinem kleinen Kind durch einen unheimlichen dunklen Wald reitet. Die Frau fürchtet sich etwas; es scheint ihr, als würden sich die Bäume etwas zuflüstern, als würde sie von fremden Augen beobachtet. Und tatsächlich: Sie sind nicht allein. Eine Trollfrau mit ihrem Trollkind als Bündel auf dem Rücken ist gerade dabei, im Wald Spinnen und Kröten zu sammeln. Aufgeschreckt durch das Donnern der herannahenden Pferdehufe beobachtet sie im Gebüsch versteckt die für sie seltsamen Menschenwesen.

Als die Pferde instinktiv vor den Trollen scheuen und durchgehen, kann die Bäuerin ihr Kind nicht mehr halten und läßt es fallen. Bis sich die Pferde wieder beruhigt haben, ist das Unglück bereits geschehen: Die Trollfrau hatte die Situation abgepasst, das Menschenkind mitgenommen und dafür ihr garstiges Trollkind zurückgelassen. Die geschockten Eltern beginnen eine verzweifelte Suche. Da von dem eigenen Kind aber keinerlei Spur zu finden ist, hat die Bäuerin Mitleid und nimmt das fürchterlich schreiende Trollkind gegen den Willen ihres Mannes mit nach Hause. Die Bedenken des Bauern werden von den herbeieilenden Nachbarn bestätigt. Mit dem Trollkind hat man sich einen Wechselbalg in Haus geholt, und neben dem Schmerz über den Verlust des eigenen Kindes fangen damit die Probleme erst an. Das Trollkind will nichts von dem essen, was Menschenkinder essen.

Keine Nacht vergeht, in dem das Geschrei des Wechselbalgs den Eltern nicht den Schlaf raubt. Die Nachbarn reden bereits hinter vorgehaltener Hand, und selbst das eigene Gesinde beginnt den Respekt zu verlieren. Je mehr sich die Bäuerin schützend vor das Kind der Trollfrau stellt, es vor Schlägen und Anschlägen beschützt, desto mehr wird die ehemals so glückliche Beziehung der Bauersleute auf eine harte Zerreißprobe gestellt. „Das Trollkind“ ist aber ein Märchen, und deshalb findet die Geschichte einen glücklichen Ausgang.

Märchen

„Manchmal kommt es, dass man ein Flüstern hört, tief im Innern, das sagt, ich soll mich traun, meine Ängste und Trauer nicht zu verstecken, nicht zu tun, als ließe mich alles kalt.“
(Selma Lagerlöf, "Das Trollkind")
 

Märchen sind oft grausam. Darin liegt aber auch gleichzeitig ihre heilsame Wirkung. In den Motiven des Märchens kommen innere und äußere Konflikte des Menschen in einer bildhaften Weise zum Ausdruck, die in ihrer archetypischen Überhöhung für Heranwachsende leichter verständlich sind, ohne dabei die generelle Komplexität innerer Spannungen und Kämpfe zu verniedlichen. Das Märchen nimmt existenzielle Ängste sehr ernst und spricht sie unmittelbar aus: das Bedürfnis, geliebt zu werden und die Furcht, als nutzlos zu gelten; die Liebe zum Leben und die Furcht vor dem Tode. Die in ihrer Einfachheit oftmals archaischen Figuren und Strukturen des Märchens geben Kindern den notwendigen Raum für individuelle Projektionen, offenbaren aber auch deutliche Parallelen zur eigenen Lebenswelt. Diese Art der Identifikation mit der Phantasiewelt des Märchens kann von Fall zu Fall sogar Lösungen für reale Konflikte bescheren.

Jedes Kind hat sicher schon einmal mit dem Gedanken gespielt, dass die Eltern vielleicht gar nicht die eigenen sein könnten. So mancher Vater hat seinem Kind unbedacht den Satz „Dich haben wir bei den Trollen im Wald gefunden“ mit auf den Lebensweg gegeben. Auf der anderen Seite hat sich sicher auch so manche gestresste Mutter die Frage gestellt, ob ihr unablässig schreiender Säugling nicht womöglich in der Klinik vertauscht wurde und das eigene vielleicht längst ruhig schlafen würde. Für eine reale Entsprechung oder Zuordnung des Wechselbalg-Motivs sind der Phantasie also kaum Grenzen gesetzt. Allerdings sind Trolle für Kinder, Eltern und Lehrer leider nur sehr begrenzt als Ursache für etwaige Schwierigkeiten beim Heranwachsen und bei der Erziehung verantwortlich zu machen.

Selma Lagerlöf

Die schwedische Autorin Selma Lagerlöf wurde 1858 als Tochter eines Gutsbesitzers in der wald- und seenreichen Region Värmland geboren. Ihre Kindheit war durch den Verlust des väterlichen Gutes Mårbacka das wegen Schulden verkauft werden musste, und durch ein Hüftleiden überschattet. Nach dem Schulabschluss ergriff sie den Beruf einer Lehrerin und übte ihn bis etwa 1895 in Landskrona aus. Während dieser Zeit erschien ihr erstes Buch „Gösta Berlings saga“, das mit zu den meistgelesenen Büchern in Schweden zählt.

Seit 1897 arbeitete sie als freischaffende Schriftstellerin und gab 1906 als Auftragsarbeit für ein Schullesebuch das Buch „Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgerssons mit den Wildgänsen“ heraus. Dieses Buch wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Am 10. Dezember 1909 erhielt Selma Lagerlöf als erste Frau den Nobelpreis für Literatur, 1914 wurde sie, ebenfalls als erste Frau, zum Mitglied der Schwedischen Akademie gewählt. Durch die Nacherzählung von Volkssagen, darunter auch „Das Trollkind“, setzte Selma Lagerlöf den Menschen ihrer Heimat in den kommenden Jahren ein kulturgeschichtliches Denkmal. 1940 starb sie auf dem von ihr wiederhergestellten Gut Mårbacka.