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Auf den 23. Bayerischen Theatertagen 2005 ausgezeichnet mit dem REGIEPREIS für Gil Mehmert!
Regie:
Gil Mehmert
Bühne und Kostüme:
Heike Meixner
Musik:
Gerd Baumann
Es spielen:
Tamara Hoerschelmann, Berit Menze, Sebastian Hofmüller, Karl Korte, Thorsten Krohn, Hussam Nimr, Philipp Roos, Tim Kalhammer-Loew, Oliver Bürgin
Musiker:
Gerd Baumann, Anno Kesting

Dauer

90 Minuten

Alter

Ab 15 Jahren

Premiere

16. Oktober 2004

Die Not schlesischer Weber, die 1844 zu einem regionalen Aufstand im Eulengebirge führte, ist Grundlage für Hauptmanns Drama. Es wäre falsch, die gesellschaftlichen Zustände damals und die sozialen Veränderungen, mit denen die Bürger heute konfrontiert werden, gleichzusetzen. Aber Parallelen sind zu erkennen.

Nächste Termine

Das Stück

Das Stück beginnt mit einer Situation im Hause des Fabrikanten Dreißiger (dessen historisches Vorbild ein zu Reichtum gelangter Unternehmer namens Zwanziger war). Die Weber liefern ihren verarbeiteten Parchent ab und nehmen ihren Hungerlohn in Empfang. Dennoch wagen sie nicht aufzubegehren, denn der Verlust des Auftrags hätte katastrophale Folgen für die ganze Familie. Nur der offen revolutionäre Ton, den der „rote Bäcker“ anschlägt, rückt einen gewaltsamen Konflikt in greifbare Nähe.

Im nächsten Akt wird das ganze Weberelend am Beispiel einer Familie gezeigt. Niedrige Stube, schreckliche Luft, am rasselnden Webstuhl sitzen im kaum beheizten Raum ausgemergelte, abgehärmte Gestalten. Der in die Heimat zurückgekehrte Soldat Moritz Jäger begeistert die an ihrer Lage verzagenden Weber mit dem so genannten Weberlied. Die zunehmende Unruhe unter den Webern veranlasst die Behörden, das Lied verbieten zu lassen, wodurch erbitterte Reaktionen der Betroffenen ausgelöst werden.

Die revolutionäre Stimmung schlägt im vierten Akt in Aktion um. Die aufständischen Weber dringen plündernd und marodierend in Dreißigers Villa ein und zwingen den Besitzer zur Flucht. Pastor Kittelhaus, ein Verfechter der bestehenden Verhältnisse, wird bei dem Versuch, die aufgebrachte Menge zu beruhigen, misshandelt.

Der Schlussakt zeigt aus der Sicht der Familie Hilse den Verlauf des Aufstandes. Das Ende ist nicht kämpferisch und agitatorisch, denn der alte Hilse, der aufgrund seiner religiösen Überzeugung den Aufstand verurteilt, kommt als Unbeteiligter um.

Die Weber" 1893

Max Baginski, der mit Gerhart Hauptmann das Gebiet der Weberaufstände bereiste, veröffentlichte seine Eindrücke in den Sozialistischen Monatsheften folgendermaßen: "Auf der Rückfahrt kommt die Rede immer wieder auf das Schicksal dieser vom modernen Industrialismus zur Verdammnis verurteilten Weber zurück. Ich frage Hauptmann, welche Wirkung er sich von einem Theater verspreche, das dieses Schicksal zu dramatischer künstlerischer Darstellung bringt. Er antwortet, seine Neigungen zögen ihn mehr Sommernachtsträumen, sonnigen Ausblicken entgegen, aber ein harter innerer Druck treibe ihn dazu an, diese Not zum Gegenstand seiner Kunst zu machen. Die erhoffte Wirkung? Die Menschen sind nicht gefühllos. Auch der Behagliche, Reiche muss sich im Innersten betroffen fühlen, wenn er solche Bilder entsetzlichen Menschenjammers vor seinen Augen aufsteigen sieht. Alles Menschliche stehe im Zusammenhang. Meinen Einwand, dass das Besitzrecht den darin Wohnenden Scheuklappen vor die Augen zu legen pflegt, will Hauptmann nicht als allgemein berechtigt gelten lassen. Er will das werktätige Mitgefühl in den Gutgestellten wecken. (...) Ich konnte mich dieser Betrachtungsweise nicht anschließen. Den Einfluss, den eine künstlerische Darstellung des Weberelends auf die Besitzenden ausüben konnte, schlug ich sehr gering an. Satter Tugend ist schwer beizukommen. Hingegen stellte ich mir vor, sie müsse eine große aufrüttelnde Wirkung auf die Massen der Leidenden selbst haben."
Diese Ansicht teilte auch der Berliner Polizeipräsident und begründete sein Aufführungsverbot folgendermaßen: "... Es steht zu befürchten, dass die kraftvollen Schilderungen des Dramas, die zweifellos durch die schauspielerische Darstellung erheblich an Leben und Eindruck gewinnen würden, in der Tagespresse mit Enthusiasmus besprochen, einen Anziehungspunkt für den zu Demonstrationen geneigten sozialdemokratischen Theil der Bevölkerung Berlins bieten würden ..."
In seiner Erwiderung vor dem Berliner Verwaltungsgericht, in der er das Aufführungsverbot der ‚Weber’ verhindern wollte, verwies Hauptmann auf den historischen Charakter seines Stückes, in dem er vergangene Ereignisse thematisiere und die Auswirkungen des schwierigen Übergangs von der Handweberei zur Maschinenweberei schildern wolle. Jegliche Agitationsabsicht bestritt der Autor.
 

Die Weber" 2004

Heute haben "Die Weber" den Ruf eines veralteten, im Naturalismus verhafteten und daher unspielbaren Stücks, dessen Qualitäten nur noch historisch zu sehen sind. "Bilder entsetzlichen Menschenjammers" lösen wahrscheinlich nur Fluchtgedanken bei Zuschauern aus. Im Bewusstsein dieser Probleme fragten wir Gil Mehmert, ob ihn das Stück interessiere. Er hat sofort die Herausforderung erkannt und angenommen: Klare Bilder mussten gesucht werden in einem reduzierten Raum, damit alle Spielorte ohne illustrierende Ausstattung in Armuts-Kitsch möglich wurden. Ort und Interieur sollen in den Köpfen der Zuschauer entstehen. Mit den Spielern musste eine adäquate Spielweise gefunden werden. Jegliches Pathos, das der Autor seinen Figuren in den Mund gelegt hat, musste vermieden werden, um unfreiwillige Komik zu vermeiden. Die Spieler zeigen in häufig wechselnden Rollen ihre Figuren sehr reduziert, aber gleichzeitig intensiv und mit dem Bewusstsein einer historischen Distanz: Rhythmus und Timing erzählen die Geschichte. So entsteht vor den Augen und mit der Vorstellungskraft der Zuschauer ein Requiem, ein Arbeits-Ballett, das die Mechanismen einer Gesellschaft vorführt, in der die Enteignung des Individuums durch Arbeit vorgeführt wird. Als Requisiten benötigen die Spieler ausschließlich ihre Kreativität im Umgang mit den schlichten Kostümen und ein 5 Meter langes Brett.

Und dann ist da noch der Text von Gerhart Hauptmann. Wir haben ihn gekürzt aber nicht vereinfacht. Das heißt auch, die Vorstellung wird in Schlesisch gespielt, weil das Schlesische ein Teil der Weber-Identität ist.

PS. Im Jahr des Weberaufstands 1844 beschäftigte sich Karl Marx in seinen frühen Schriften mit der "Entfremdung von der Arbeit".

Wir danken der Tonabteilung der Münchner Kammerspiele für die Probenbetreuung.