Im Folgenden können Sie auszugsweise die Premierenbesprechungen von La Strada der Abendzeitung und Süddeutschen Zeitung nachlesen. Die kompletten Besprechungen finden Sie hinter der rot verlinkten Überschrift. Da die Süddeutsche Zeitung in ihrer Onlineausgabe den Artikel nicht freigegeben hat, ist dieser dort nur gegen Bezahlung komplett nachlesbar. Wir bitten um Verständnis. Außerdem finden Sie bei SZ-Online (gegen Bezahlung) ein Interview mit Beat Fäh über sein Abschied vom Theater und seiner Zukunft als Trainer der Rollstuhl-Leichtathleten des Paralympischen Nationalteams der Schweiz sowie über La Strada, seiner letzten Regiearbeit.
Abendzeitung:
Beat Fäh inszeniert La Strada nach Fellini
(…) Zum tosenden Premierenapplaus kommt er einmal, aber auch nur einmal auf die Bühne der Schauburg: der eigentliche Star des Abends. Denn dies ist seine letzte Vorstellung, sein Abschied, nicht nur von der Schauburg, sondern insgesamt vom Theater. Beat Fäh nimmt mit dem Ensemble den Applaus entgegen. Schlank und fit wirkt der Körper des 64-jährigen Regisseurs, der in Zukunft nicht mehr Schauspieler inszenieren, sondern die Rollstuhl-Leichtathleten des Paralympischen Nationalteams der Schweiz coachen wird; eine Aufgabe, die Fäh schon seit einigen Jahren inne hat, inklusive Medaillen für einen seiner Sportler bei den Paralympics 2016 in Rio de Janeiro.
Als Trainer muss man ein präzises Gespür für die Bedürfnisse, die Körper der Athleten haben, womit sich ein Bogen zu dem Regisseur schlagen lässt, der die Schauspieler der Schauburg zu führen weiß, in Kenntnis ihrer Eigenheiten und Qualitäten. Mit seiner Handschrift hat Fäh seit 1984 den Stil der Schauburg mitgeprägt, hat insbesondere Prosawerke für die Bühne adaptiert, darunter Jeremias Gotthelfs „Die schwarze Spinne“ (2000), Thomas Manns „Die Buddenbrooks“ (2007) und Sten Nadolnys „Die Entdeckung der Langsamkeit“ (2015). Fäh hat daraus Erzähltheater gemacht, das jede Vorlage ernst nimmt: kein wild wucherndes Regietheater, sondern präzises Schauspiel im Dienste der Geschichte, deren innerer Kern von Fäh herausgearbeitet wurde – gemeinsam mit einem Ensemble, das sich schon seit langem ausgezeichnet im Wechsel von Erzählstimmen und Rollenspiel versteht.
Für seine letzte Inszenierung hat Fäh sich einen seiner Lieblingsfilme ausgewählt, „La Strada“ (1954) von Federico Fellini, was bedeutet, dass man durchaus schon Bilder im Kopf haben kann: vom bulligen Anthony Quinn, der als Straßenkünstler Zampano durch die tristen Dörfer und Städte des Nachkriegs-Italiens zieht und mit seinem bloßen Körper Ketten sprengt, derweil seine Assistentin Gelsomina die Trommel schlägt. Wie Giulietta Masina diese Gelsomina spielt, geschunden von ihrem Herrn Zampano und doch ihm liebevoll verbunden, ist unvergesslich.
Aber Fäh hat mit Lucca Züchner eine Hauptdarstellerin, die ebenfalls hinreißend das Kind in sich entzündet: Staunend blickt Züchners Gelsomina in die Welt, hat keinen Vorhalt für das, was ihr passiert, sondern ist stets verletzbar, bewahrt sich aber trotz der Bosheit ihrer Umwelt eine Freude am Leben, eine Bereitschaft zu lieben.
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Süddeutsche Zeitung:
Beat Fähs zauberhafte Inszenierung von "La Strada" an der Schauburg
(…) Guckt man Federico Fellinis "La Strada", löst man sich am Ende auf in ein Tränenmeer, es ist so unendlich traurig. Wie ein junges Reh hüpft man aus der Schauburg auch nicht raus, eher versonnen tappst man herum, nachdenklich, irgendwie auch verzaubert. Das passt dann auch zu Fellini an sich. Und passt natürlich zum Regisseur des Abends, Beat Fäh. Mit minutiöser Präzision beendet dieser mit "La Strada" am Theater der Jugend seine Regiekarriere, wird fürderhin nur noch Athleten trainieren - das macht er hier auch schon. Denn neben sieben Menschen, die auf der Bühne mit stiller Sensation diverse Sonderbarkeiten machen, spielen hier drei Rhönräder mit. Beat Fäh erschafft etwas sehr Eigenes, löst sich von Fellinis 60 Jahre altem Film, von dessen neorealistischer Tristesse, in der selbst Rom noch lebensfeindlich ausschaut. Fellinis Sicht auf die Menschen kommt in "La Strada" aus einer kargen, harten, hässlichen Welt. Bei Fäh leben sie in einer schnell getünchten Zirkusarena, im Licht von zehn Glühbirnen und umgeben von Musik, zwar nicht der von Nino Rota, aber der von Portmanteau, auf der Bühne vor allem verkörpert von Greulix Schrank und dessen portabler Zirkusorgeltrommel. (...)
Natürlich haben sie an der Schauburg weder Anthony Quinn im Ensemble noch Guilietta Masina, aber sie haben Thorsten Krohn, der ungeheuer unerbittlich sein kann, und sie haben Lucca Züchner, die immer das Unvorhersehbare ist, unerschütterlich freundlich, beeindruckend genau. Sie ist der Zauber wie Masina der Zauber im Film ihres Gatten ist, aber ein anderer Zauber ist sie, weniger naiv, menschenklug und im Traurigen noch begabt mit einem Lächeln. Um die beiden herum farbige, herrliche Figuren, liebenswerte Spinner (Marcus Campana), ein fabelhafter, alleskönnender Athlet (Nick-Robin Dietrich), ein verschrobener Erzähler (Peter Wolter) und Regina Speiseder, die auch alles kann und dabei prächtig aussieht. Man muss genau zuhören, dann sieht man viel mehr, als da ist. Darin ist dieser Abend durchaus paradigmatisch für die zu Ende gehende Intendanz von George Podt: 27 Jahre lang vertrauten er und Dagmar Schmidt den Kindern und Jugendlichen. Es gab auch Sensationen, eh klar, aber viele zarte poetische Erfindungen, die sich nicht so einfach einfangen ließen, auf die man schon aufpassen musste. Die Abschiedstournee im Hause Podt geht nun noch ein halbes Jahr, dann ist Schluss mit vielem. (...)
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