Seiten, die auf Papa Mama verweisen

Zwei Mordtaten aus der Gegend von München
verübt an einem Sonntagmorgen an Mama und an Papa
und die wundersame Geschichte ihrer Auferstehung
Regie:
Markus Lips
Mitarbeit und Kostüme:
Heike Ohse
Bühnen-Bilder:
Thomas Saible
Musik:
Toni Matheis
Es spielen:
Peter Ender, Katarina Klaffs, Martin Ontrop

Papa Mama

Dauer

60 Minuten

Alter

Ab 12 Jahren

Premiere

08. April 1995

Zwei Mordthaten aus der Gegend von München verübt an einem Sonntagmorgen an Mama und an Papa und die wundersame Geschichte ihrer Auferstehung

Nächste Termine

In einem kleinen Dorf bei München trug sich die grauenhafte und zugleich wundersame Familientragödie zu:

Es begab sich an einem Sonntage, der wie jeder andere war: Papa, Mama und Kind krochen aus den Betten. Und während man sich beratschlagte, welch köstliches Sonntagsmahl es wohl geben werde, kam es schon bald zu Zwistigkeiten. Papa beschwerte sich über seine Gattin: „Ach wie tief ich gesunken bin und wie groß meine Verzweiflung ist. Und das alles habe ich keinem anderen zu verdanken als meiner eigenen Frau!“ Und auch Mama redete nicht wohl von ihrem Manne: „Mein hochgeehrter Gatte ist ein Faulpelz und ein Grobian, der nur eines fertig bringt, mir den Spaß des Lebens zu nehmen.“ Keiner sollte von des anderen trüben Gedanken merken und so aßen sie friedlich ihr Frühstücksmahl und waren sehr freundlich zueinander. Mama sprach: „O, Papa, wie freue ich mich, daß du dich freust. Ich möchte dich daran erinnern, daß heute Sonntag ist, und wie du siehst, habe ich alles getan, damit dieser Tag ganz und gar nach deinem Geschmack gerät.“ Papa erwiderte: „Vielen Dank, Mama. Du bist die vorzüglichste Dame der ganzen Umgebung. Ach, was wird das heute wieder für ein Tag, wenn ich schon jetzt in so ausgezeichneter Stimmung bin.“ Nur das Kind ahnte etwas von den bevorstehenden Greuelthaten und zog sich in das Schlafgemach zurück.

Und schon bald wurde der erste Mordanschlag verübt. Als die Frau mit der Zubereitung des Essens beschäftigt war, schlich sich Papa von hinten an. Ein gewaltig langes Messer blitzte in seiner Hand und er dachte für sich: „Und wenn sie dort am Herd steht und herumhantiert, habe ich nicht mehr zu tun, als mich von hinten ihr zu nähern, und in einer Minute ist die Sacher überstanden.“ Schon setzte er an zum blutrünstigen Stoß, da übermannten ihn Hungergefühle: „Jetzt könnte es schon geschehen, doch soll die erste Gelegenheit noch nie die beste gewesen sein. Ich will erst einmal kontrollieren, was es heute zum Mittagessen gibt.“
Doch die Mama beschäftigte sich nur dem Anscheine nach mit der Zubereitung der Speisen. Vielmehr war sie in Gedanken darüber, wie sie ihrem Gatten am besten den Garaus machen könne. So sprach sie scheinheilig zu ihm: „Nur setz dich erst einmal und leg die Hände auf den Tisch, dann kannst du zugucken, wie ich dir ein Essen serviere, wie es garantiert noch nie vor deinem Maul stand.“ Und Papa that wie ihm aufgetragen. Da näherte sich die Mama leise von hinten mit einer Schlinge und ward kurz davor, ihren Mann zu erdrosseln, da sprang dieser auf und rief: „Oh! Ach! Meine liebe Frau, wenn du dich zur Uhr umdrehst, wirst du sofort erkennen, Mittagessen ist schön längst vorbei. Siehst du hinter den Fenstern nicht den schönen Sonnenschein? Und du willst, daß wir bei solchem Wetter in unseren vier Wänden hocken bleiben? Laß das Essen! Das Huhn wird heute Abend gebraten! Los wir gehen in den Wald Dort sind wir ganz allein und ich werde sehr herzlich zu dir sein!“
So wanderten sie in Richtung Wald, und das Unglück folgte bald. Sie überquerten eine grüne Wiese, ein Bächlein floß dort klar und tief und Frösche quakten aus dem hohen Schilf. Zu ihrer rechten reifte grad ein Weizenfeld und links Gerste, fetter Mais, der schon vor Reife überquellt. „Ist das nicht so schön, wie bares Geld?“sprach da der Papa. Und die Mama erwiderte: “Das Freie liebt der Mensch und die Natur. Drum zieht er hinaus in Gottes Flur. Ach, wär ich nur ein Poet, um das bunte treiben vor der Stadt mit Worten zu beschreiben.“

Grad als sie den Berg aufwärts stiegen, fanden sie einen ruhigen Platz, wo sie sich im Grase unter einem schönen Baume niederließen. Da nahm der Mann den Strick, den seine Frau sich so fein um den Bauch gebunden hatte, in seine Hände. Und eilig schlang der Mann das eine Ende dieses Strickes um einen Ast. Aus dem anderen Ende flocht er behände eine Schlinge und die legte er seiner Frau um den schönen Hals. Und nachdem der Mann sich in der Nähe umgesehen hatte, stellte er einen Schemel in das Gras und sprach zu seiner Frau: „Steig du bitte hier hinauf und halte Ausschau, ob du in der Umgebung einen Mensch siehst?“ Als sie dies verneinte, trat der Mann den Schemel unter Mamas Füßen weg, so daß diese nun am Aste baumelte. Papa tanzte um den Baum und freute sich: „Ach, ist meine Frau nicht wunderschön, wenn sie so am Aste hängt! Und bin ich nicht der beste Kerl der Welt, wenn ich so was zustand bringe? Ach, wie aus meinen Augen Tränen fließen.“
Vergnügt trat er den Heimweg an. Dort saß das Kind naschend auf dem Tische; die Schüssel Teig auf den Knien. Erschrocken von des Vaters drohender Erscheinung im Türstock, hätte es die Schüssel beinahe fallen lassen. Doch zu aller Überraschung sagte der Vater: „Willst du deine Finger wohl in der Schüssel lasse. Was bis jetzt verboten war, ab heute ist’s erwünscht.“ Sprachs und zertrümmerte die Einrichtung des trauten Heims. Dann ward sein Hunger riesengroß wie noch an keinem Tag und er holte Mamas Kochbuch hervor: „Jetzt kommt es darauf an, das rechte Wort zu finden, dass es hier anfängt zu zappeln.
Das nach Vorschriften zubereitete Huhn wird in Speckscheiben umwickelt in die Pfanne gelegt, mit heißer Butter übergossen und dann unter fleißigem Begießen gebraten. Dann nehme man den Bratensatz und koche ihn los und breche ihn mit saurer Sahne und kalt angerührter Gustin.“

Da wurde seine Verzweiflung sehr groß, denn er vermochte nicht, das geschriebene in die That umzusetzen. Er sprach zu sich: “Wer von der Welt betrogen ward, der sollte sie verlassen. Ihm schenkt der Tod ein tiefes Loch und kalte Erd zu essen.“ So ging er zurück in den Wald zu dem Baum, an dessen Ast Mama baumelte. Papa hängte sich an das zweite Ende des Strickes und infolge des Schwergewichtes ward sein Körper nach oben gezogen und Mamas nach unten.
Und oh Wunder: als Mamas schon kalt gewordenen Füße den Boden erreicht hatten, weilte sie wieder unter den Lebenden. Schnell wollte sie diesen schauervollen Ort verlassen und heimkehren. Doch der Weg, den sie einschlug, endete in finsterem Gebüsch. In der anderen Richtung aber wuchs nur Wald, schwärzer als die Nacht. Und so besann sie sich: „Oh wäre doch mein lieber Mann jetzt da! Der wüsste schon, wie man von hier nach Hause kommt.“ Sie kehrte zu dem unheilvollen Orte und schnitt ihren Gatten vom Aste, gerade noch rechtzeitig, bevor diesem der letzte Lebenshauch genommen ward.
Nun kehrten die beiden glücklich nach Hause zurück. Die Sonne hing rot und warm eine Handbreit überm Horizont und kippte kübelweise ihr flüssiges Gold über die Stadt und ihre Fluren aus. Auf halbem Wege kam ihnen ihr kleines Haus schon entgegen. Als sie ihre Heimstatt betraten, lag das Kind gekrümmt auf dem Boden und schrie: „Oh ich sterbe! Oh ich sterbe!“ Es hatte so viele Süßigkeiten in sich hineingeschluckt, daß es bloß darauf wartete, daß es auseinanderplatzt wie eine aufgeblasene Tüte. Doch die Eltern kümmerten sich nicht darum, denn schließlich waren an diesem Tage schon Tote auferstanden.
So endet die wahre Begebenheit von Papa und Mama, die sich gegenseitig an die Gurgel wollten und erkannten, dass der Weg ins Glück nicht über den Strick am Halse des anderen führt. Drum, lieber Leser, merke dir: „Die beiden gingen einen krummen Weg, doch sie kamen an ein glückliches End. Und so ist es immer, wenn der Mensch im Menschen seinen Freund erkennt.“

 

Alle Texte in Anführungszeichen sind Lothar Trolles „Papa und Mama“ entnommen.