Seiten, die auf Sneewitte verweisen

Schönheit - Giftmord - Eifersucht
Regie und Bühne
Peer Boysen
Mitarbeit und Kostüme
Ulrike Schlemm
Musik
Toni Matheis
Es spielen
Lisa Huber, Marion Niederländer, Sabine Zeininger, Klaus Haderer, Michael Vogtmann, Peter Wolter, Matthias Friedrich, Dirk Laasch, Florian Mayr, Sabine Lehmann, Eva Richter

Dauer

85 Minuten

Alter

Ab 14 Jahren

Premiere

16. Juni 1998
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Warum Schneewittchen?

Nachdem die Akte Schneewittchen durch Walt Disney („Schneewittchen und die sieben Zwerge“) und Helmut Dietl („Rossini“) endgültig geschlossen schienen, haben wir uns entschlossen die Angelegenheit noch einmal aufzurollen. Aus welchem Grund, haben wir uns gefragt, ist ausgerechnet Schneewittchen zu einem Klassiker des Kinderpublikums geworden? Gerade in Schneewittchen werden doch eher Probleme der Adoleszenz, der Ablösung vom Elternhaus, und Fantasien, die ganz handgreiflich um erotische Gerüchte kreisen, verhandelt. Im Zentrum der Geschichte stehen zwei Frauen. Rivalinnen der Schönheit. Mutter und Tochter. Neid und Eifersucht. Verbotene Begierden. Erwachende Sexualität. Mord und Totschlag. Es ist die Geschichte eines gewalttätigen Generationskonflikts. Eine Geschichte um problematische familiäre Machtverhältnisse. Und über den Weg aus ihnen heraus. Es gibt Eltern, „(…) die beweisen möchten, dass sie ihren Adoleszenten Kindern in keiner Weise nachstehen, (…) der Vater, der versucht, es mit der jugendlichen Kraft und sexuellen Tüchtigkeit seines Sohnes aufzunehmen; die Mutter, die versucht, nach Aussehen, Kleidung und Verhalten ebenso jugendlich attraktiv zu wirken wie ihre Tochter. Das hohe Alter von Geschichten wie Schneewittchen beweist, dass dies ein uraltes Phänomen ist.“ (Bruno Bettelheim)

Ein klassisches Jugendstück war zu entdecken hinter der von den Grimms so sauber verputzten und vermeintlich für Kinder gereinigten Fassade eines Märchengebäudes, das in Wahrheit ein uneinheitliches und rätselhaftes Labyrinth von zahlreichen Schneewittchen-Geschichten ist, die in den Erzählkulturen der Welt ausgedacht wurden. Wir haben versucht, die alte Geschichte mit Der Gegenwart zu beschreiben.

Barocke Lust am Text – Schneewittchenspurensuche

Auf der Suche nach einer spielbaren Fassung, haben wir uns durch ein Universum von Schneewittchenfassungen gelesen. Die Geschichte wurde in fast allen europäischen Ländern aufgezeichnet, außerdem in Mittelamerika und vereinzelt auch in Asien und Afrika. In Deutschland fand sie vor allem durch die Fassung der Brüder Grimm Verbreitung, die im Laufe der Zeit sozusagen zur Leitversion des Märchens wurde. Literarisierte Fassungen existieren von Clemens Brentano („Das Märchen von Rosenblättchen“), Johann Karl August Musäus („Richilde“) und vielen anderen. Viele Bearbeitungen stammen auch aus neuerer Zeit, etwa die Bühnenfassung von Robert Walser. Entfernte Verwandtschaft lässt sich mit einer Reihe von modernen Erzähltexten feststellen, zum Beispiel mit Frank Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ (vgl. das Textmaterial in der Nachbereitung).

Im Verlauf unserer Recherchen stießen wir auf eine italienische Märchensammlung aus dem 19. Jahrhundert: „Das Märchen der Märchen oder Der Pentamerone“ von Giambattista Basile. Diese ungewöhnliche Märchensammlung enthielt nicht nur eine weitere Schneewittchen-Variante („Die Küchenmagd“), sondern inspirierte den Regisseur Peer Boysen mit ihrer barocken, bilderreichen Sprache dergestalt, dass er aus allen fünfzig Märchen dieser Sammlung eine Schneewittchenfassung für die Bühne arrangiert hat. Aus dem farbigen Paradies von Basiles Formulier- und Fabulierlust hat er Figuren und Textpassagen gelöst und in die Dialogform eines Theaterstücks umgeschmolzen. Basiles Metaphernreichtum, die Fülle an plastischen Sprichwörtern und sinnlichen Redewendungen erschließt dem Märchen einen sinnfälligen Zugang zu verborgenen erotischen Leidenschaften und familiären Machtgelüsten.

Vom Ohr zum Auge – Inszenierung des Erzählens

Einen wichtigen Anknüpfpunkt für unseren Arbeitsprozess bildete daneben jene kulturellen Grenze, die den Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit markiert.
An dieser Grenze wurden die Märchen aufgezeichnet, aus dem gemeinschaftlichen Rituale einer oralen Erzählkultur wurden sie überführt in eine individuelle literarische Lesekultur. Vom Ohr des Zuhörers zum Auge des Lesers. Das Theater freilich geht stets den umgekehrten Weg. Es führt die Literatur wieder in einen öffentlichen Erzählraum. Aber natürlich kann man ein Märchen heute im Theater nicht so erzählen wie ein Erzähler vor tausend Jahren. Denn seine Lebenspraktische Funktion – „Die rituelle Verarbeitung wirklicher Verhältnisse wie Initiationsriten, Brautwerbung, Totenkulte“ (Volker Klotz) u.a. – hat ein Märchen längst verloren. Märchen sind uns heute offene Sinn- und Rätselbilder von grundlegenden menschlichen Beziehungen.

Also haben wir nach einer heutigen Form gesucht, nach einer Möglichkeit, das Erzählen von Märchen in unserer Zeit fortzuführen, ohne in nostalgische Märchenseligkeit zu verfallen. Deshalb haben wir die Figur einer Erzählerin eingeführt und genauer untersucht. Als Bejahrtes Mütterchen aus den Zeiten, da das Wünschen noch geholfen hat, betritt sie die Bühne und beginnt zu erzählen. Im Laufe der Erzählung verwandelt sie sich selbst in eine junge und moderne Frau, die versucht, die alte Geschichte unter den widrigen Bedingungen der Gegenwart aufrecht zu erhalten. In zwei überdimensionalen Bilderrahmen entstehen Bilder, in denen die Märchenfiguren als pralle, lebensvolle Kunstfiguren voller Spiellust präsentiert werden. Aber die erzählten Figuren entwickeln ein Eigenleben, sie fallen buchstäblich aus dem (Bilder-) Rahmen und vollführen manche unvorhergesehene Wendung. Die Erzählerin hat Mühe, die schlingernden Dampfer der Erzählung auf Kurs zu halten. Gerät die ganze Geschichte aus den Fugen?

Sneewitte – ein Kind unserer Zeit?

Sneewitte ist von Anfang an ein Kind unserer Zeit, eine selbstbewusste junge Frau, die einen jahrhundertealten Generationskonflikt austrägt. Und sich auf der (körperlichen und sozialen) Schwelle zwischen Kind und Frau befindet. Ein Kind jeder Zeit. Wie vor tausend Jahren sind die Alten eifersüchtig auf die Jugend. Auf ihre Schönheit und Agilität. Forever Young heißt die Devise wahrscheinlich schon seit der Steinzeit. Aber wie steht es mit den Lösungsangeboten des Märchens? Ist der Traumprinz als Erlöser der bedrängten jungen Frau eine zukunftsträchtige Figur? Oder hat die bürgerliche Kleinfamilie als Glücksversprechen ausgedient, weil die Modelle des Zusammenlebens so vielfältig geworden sind?

„Ich hab so viele Frösche gesehen in meinem Leben, ich glaube gar nicht mehr an den Traumprinzen“, ist Sneewittes lapidarer Kommentar dazu. Ist Sneewitte ihrer Geschichte entwachsen? Die Konflikte, von denen Schneewittchen erzählt, sind so aktuell wie eh und je. Gilt das auch für die Lösung? 
 

Sneewitte – Eine Soap-Opera

Im Grunde sind Märchen triviale Geschichten. Geschichten von Eifersucht und Rache, verletzter Liebe und Familienkonflikten. Weil es Geschichten sind, die Archetypen ohne individuelle Charakterzüge präsentieren, bilden sich die Märchen so gut der eigenen Erfahrung der Zuhörer und Zuschauer an. Ein bisschen wie ein Groschenroman.

Deshalb haben wir im Folgenden die alte Geschichte mit ein paar Basile-Zitaten und Zutaten aus „Julia“-Romanen – als ein Stück Groschenheftprosa sozusagen – vermengt. Das hat freilich nur bis zu einem gewissen Grad mit der Inszenierung zu tun, erzählt aber viel über unseren Arbeitsprozess und die Suche nach der Gegenwärtigkeit der Geschichte.

Erster Soap-Teil: Schönheit

Sie war schön, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut, so schwarz wie Ebenholz. Margarethe de Witte genannt Sneewitte. Alle Liebe der Welt flog ihr zu, doch das Glück währte nicht lange. 
Ihre Mutter Ursula war eine bösartige und heimtückische Frau. Sie hasste ihre Tochter wegen ihrer atemberaubenden Schönheit, die sich Jahr um Jahr mehr entfaltete, während sie mehr verwelkte.
Oft dachte Ursula zurück an die Jahre ihrer Jugend. Das kostbarste Vermögen ihrer Familie bestand in einem Spiegel, der aus dem letzten Krieg stammte. Dieser Spiegel war fähig binnen Sekunden absolut zuverlässige Rasterfahndungen im ganzen Land durchzuführen und entsprechend auszuwerten. Ein nachrichtentechnisches Wunderwerk! Sehr früh war klar gewesen, dass sie den Spiegel erben würde – und mit ihm Macht und Vermögen von unvorstellbaren Ausmaßen.
Seit der Hochzeit aber war es mit Ursula bergab gegangen. Aus irgendeinem verdammten Grund war sie auf diesen reichen Millionärsschnösel hereingefallen und hatte sich in einer Laune heftiger Verliebtheit zur Hochzeit verleiten lassen. Ihr Ehemann entpuppte sich dann bald als wahnsinniger Langweiler, der sich zu allem Überfluß auch noch zum religiösen Eiferer entwickelte und unentwegt von Kreuzzügen faselte. Erschwerend hinzukam, dass er schon bald keine Lust auf Sex hatte. Jedenfalls nicht mehr mit ihr. So nahm sich Ursula einen Liebhaber: Einen strammen Jäger, keine Intelligenzbestie vielleicht, aber dafür war er im Bett ok.. Ursula war zufrieden. Und wurde schwanger. Einen Grund mehr für ihren Mann Willi, sich entgültig in die Mission nach Nahost zu verabschieden.

Sneewitte wurde geboren. Und kaum zeigten sich die ersten Blumen ihrer Schönheit, da schien Ursula nicht mehr das ungeteilte Interesse von Hans-Rüdiger, dem Jäger, auf sich zu vereinigen, Eines Abends kam er nach Hause und traf Sneewitte alleine im Wohnzimmer an. Sneewitte lag auf dem Sofa. Sie trug, wie immer, ein viel zu enges T-Shirt, mit dem sie ihre frühreifen Formen zu betonen suchte, und einen knappen Rock. Hans-Rüder vermochte seinen Blick nicht von ihr zu wenden: „Schönes Mädchen, du siehst aus wie der frischeste Quarkkäse und wie ein Zuckerteig. Du drehst nie das Brenneisen der Augen, ohne in den Herzen Liebesblasen zu ziehen. Du öffnest nie den Waschkessel der Lippen, ohne die Seele mit heißem Wasser zu begießen, und bewegst deinen Fuß nicht, ohne denen, die an einem Seil der Hoffnung schwebten, tüchtig auf die Schultern zu treten.“ Unbemerkt war unterdessen Ursula ins Zimmer getreten. Durchbohrend war der Blick ihrer schwarzen Augen auf Sneewitte gerichtet. „Hans-Rüdiger, bring das Kind in den Wald und töte es.“
 

Zweiter Soap-Teil: Eifersucht

Gesagt getan. Hans Rüdiger ging mit Margarete in den Wald. Plötzlich riß er einen Dolch aus der Hose und sagt mit heiserer Stimme „Nun ist’s genug, lass uns die Sache hier abtun.“ Margarethe sah im unverwandt in die Augen. Das dunkle aus der Tiefe strahlende Blau ihrer kleinen Augen jagte ihm Schauer über den Rücken. Obwohl fast noch ein Kind, wusste sie die Waffen der Frau einzusetzen. Hans-Rüdiger verlor die Fassung, als, als sie plötzlich dicht vor ihm stand, mit der einen Hand zärtlich über seine Wange strich und ihn mit der anderen Hand entwaffnete...
Sneewitte lief alleine durch den Wald. Schließlich gelangte sie an eine heruntergekommene Hütte, die einsam auf einer Waldlichtung stand. Das Haus gehörte zu einer Truppe von sieben unheimlichen Typen. Sie waren Aussteiger, die von Gott und der Welt verlassen ihr Dasein im Wald fristeten und das Wenige, was sie zu Leben benötigten, selbst anbauten.

Grobschlächtig und unansehnlich wie sie waren strahlten sie die Kraft von Männern aus, die es gewohnt sind mit der Wildnis zu leben. Sie nahmen Sneewitte auf und sie fand großen Gefallen an der rauen Männergesellschaft, mit der sie bald nicht nur Tisch und Teller, sondern auch Bett und Begierden teilte.
Die Männer dankten es ihr, denn sie hatten zu lange wie die Klosterbrüder gelebt. So verlebte das Mädchen vergnügliche Tage im Wald, und niemand war da, der ihr gemeinschaftliches Glück hätte stören können.

Dritter Soap-Teil: Mord

Die Mutter fragte unterdessen den Spiegel: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ und der Spiegel antwortete: „Ihr, Frau Königin, seid die Schönste hier, aber Sneewitte über den sieben Bergen bei den sieben Zwergen ist tausendmal schöner als ihr.“
Ursula erschrak und sann auf Mord. Sie machte sich auf den Weg zu ihrer Tochter. Sneewitte war allein zu Haus. Sie wunderte sich als es klopfte. Draußen stand eine Frau im Kostüm der Heilsarmee und fuchtelte mit Mieder, Haarnadel und Apfel. Margarethe schüttelte den Kopf und wollte das Fenster schon wieder schließen, da bot die Frau ihr eine Zigarette an.

Margarethe spürte das Gift erst nachein paar Zügen. Langsam breitete es sich in ihrem Leib aus und als sie ein seltsames Stechen in ihrer Magengegend bemerkte, war es auch fast schon zu Ende. Alles ging plötzlich sehr schnell, und röchelnd stürzte sie vor dem triumphierenden Blick ihrer Mutter zu Boden
Betroffen standen die sieben Männer um das schöne Mädchen, als sie nach langem Tagwerk nach Hause zurückgekehrt waren und die Leiche vorfanden.
„Da kann man recht deutlich sehen, wie einem ehrlichen Manne nie etwas gelingt“, kommentierte einer von ihnen trefflich die missliche Lage. Sie trauerten drei Tage und ließen in sieben Tagen einen Glassarg machen, in den sie Margarethe de Witte, genannt Sneewitte, hineinlegten, so dass man es von allen Seiten sehen konnte.

Vierter Soap-Teil: Glück

Nach einiger Zeit aber kam zufällig ein reicher Sohn vorbei. Er sprang mit ein paar Sätzen den Hügel hinauf, um die merkwürdige Erscheinung besser zu betrachten. Eine nackte tote in einem Glaskasten! Wie schön sie war. Und da der Sohn ein Liebhaber obskurer Phänomene war, verliebte er sich in die Tote. Er zerschlug den Glaskasten mit der bloßen Faust, um die Schöne mitzunehmen. Margarethe fiel aus dem Sarg, durch die bloße Erschütterung fuhr ihr der verbliebene Rauch aus der Lunge und sie wurde wieder lebendig. Sie fiel dem Prinzen geradewegs in die Arme. Irgendwie schlossen sich seine Arme um ihre Schultern, und schon lag sein Mund auf dem ihren, und irgendwie war dieser Kuss ganz anders als alles, was sie je zuvor erlebt hatte. Er war so zärtlich, so voller Liebe, dass Margarethes Mund sich ihm öffnete wie eine Blume der wärmenden Sonne.

„Mein Gott, beinahe wäre ich nun fortgegangen – für immer“, sagte sie. „Aber jetzt bist Du bei mir“, antwortete er „hierher gehörst Du, und hier wirst Du immer und ewig bleiben.“ Da erwiderte Sneewitte„Ich habe so viele Frösche gesehen, ich glaube nicht mehr an den Traumprinzen.“ Sie lebten glücklich zusammen, und wenn sie nicht gestorben sind, dann...?

Fünfter Teil: Post Scriptum

Glücklicher Ausgang einer Familientragödie:

Eine merkwürdige Familientragödie, die sich in den letzten Wochen in der Gegend von... abgespielt hatte, wurde der Redaktion erst jetzt bekannt. Aus Eifersucht verübte eine Mutter mehrere Giftmordanschläge gegen ihre Tochter, bis diese schließlich als Scheintote begraben wurde. Ein junger Mann, dem nekrophilie Neigungen nachgesagt werden, öffnete selbsttätig das Grab und konnte die junge Frau wiederbeleben. Am vergangenen Sonntag wurden die beiden im engsten Familienkreise getraut. Die Mutter verübte am Tag der Hochzeit Selbstmord. Buena Vista soll sich bereits die Filmrechte gesichert haben.

Giambattista Basile

(ca. 1575-1632) spielte als gelehrter und erfindungsreicher Verfasser von Gedichten und Epen eine bedeutende Rolle an den musischen Höfen von Neapel und Mantua. Zeitweilig war er als Gouverneur im Königreich von Neapel tätig. Der „Pentamerone“ erschien erstmals 1634/37 in Neapel. In einem Zyklus von fünf Tagen erzählen 10 alte und hässliche Frauen jeweils fünf Märchen, eingelegt in eine Rahmenhandlung, die ähnlich wie in Giovanni Bocaccios Decamerone, die Bedingung für das erzählen schafft. Das Werk greift zurück auf anonyme mündliche überlieferte Märchen, transformiert sie aber in einen durchkomponierten, anspielungsreichen Text von weltliterarischem Rang. Es ist der erste Text in neapolitanischem Dialekt. Die Märchensammlung war auch den Gebrüdern Grimm bekannt und wurde von ihnen sehr geschätzt.

“Es lohnt wahrlich die Mühe, die Wahrheit des Sprichworts zu erwägen, dass von demselben Holze sowohl Götterstatuen als Galgenbalken, sowohl Königsthrone als Nachtstuhldeckel gemacht werden, sowie auf nicht minder seltsame Weise von einem und demselben Lumpen sowohl das Papier, welches mit Liebesbriefen beschrieben und von schönen Frauen geküsst wird, als auch Arschwische herkommen; ein Umstand, der den gescheitesten Astrologen um seinen Verstand bringen könnte. Dasselbe kann man auch von den Müttern sagen, von denen oftmals gute als schlechte, sowohl liederliche als wirtschaftliche, sowohl schöne als hässliche, sowohl neidische als liebevolle, sowohl wie Diana keusche als wie Huren unzüchtige, sowohl unglückliche als vom Glück begünstigte Töchter geboren werden.“ (Giambattista Basile)