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Aus dem Niederländischen von Monika The
Regie
Jule Ronstedt
Bühne
Tobias von Wolffersdorff
Kostüme
Andrea Fisser
Musik
Toni Matheis
Es spielen
Berit MenzeHenriette Schmidt, Johannes Klama
Schlagzeug
Sandra Hilpold

Dauer

75 Minuten

Alter

Ab 9 Jahren

Premiere

08. Januar 2009

Das Leben einer typischen Kleinfamilie von Vater, Mutter und Kind steckt in der Krise. Die Eltern können nicht mehr miteinander und wollen sich scheiden lassen. Das Kind aber versucht alles, um genau das zu verhindern. Da dieses ernste Thema von Jule Ronstedt inszeniert wird, entsteht aus diesem für Kinder schweren Unglück ein heiteres Mutmach-Stück, bei dem plötzlich positiv werden kann, was zuvor nur negativ war.

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Kindheit
 

Wenn Erwachsene von Kindheit reden, dann schwingt gerne ein Unterton von Glück, Sorglosigkeit und Heile Welt mit. Kindheit erscheint als sorgenfreie, herzensfrohe Zeit, in der Kinder unbekümmert heranwachsen können. Es ist verwunderlich, dass sich dieses Klischee so hartnäckig hält, denn wer hinsieht, sowohl in der Geschichte wie in der Gegenwart, erkennt sofort, dass Kindheit nie ein Schlaraffenland war. Aber vielleicht hat die Reproduktion dieses Irrtums mit unserem Wissen darum zu tun, dass es ein Versagen der Erwachsenen ist, wenn Kindern Stabilität und Selbstbewusstsein beim Heranwachsen fehlen. In der hartnäckigen Lüge von der glücklichen Kindheit formuliert sich schlechtes Gewissen.  
 

Kinder haben ein Recht auf eine heile Welt. Dafür sind in erster Linie die Eltern Garanten. Eltern sind Felsen in der Brandung. Sie hegen, schützen und pflegen. Eltern sind Vorbilder, geben Orientierung und liefern Reibung. Eltern sind die Menschen, an die wir uns ein Leben lang wenden können. Sie schützen das Recht der Kinder auf Kindheit.

Um dies abzusichern, hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen im November 1989 die Rechte von Kindern in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben. Darin ist Selbstverständliches formuliert wie das Recht auf Ernährung, Schutz vor Ausbeutung, Recht auf Freiheit von Kindern.

Komplizierter wird es mit dem Recht auf gewaltfreie Erziehung, das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit, das Recht auf Meinungsfreiheit oder das Recht auf Beteiligung an Entscheidungen, die sie betreffen. Denn diese Rechte können nur gewährt werden, wenn auch die Welt der Eltern heil ist. Was aber passiert, wenn das Elternhaus kaputt geht, wenn es keinen Schutz mehr bietet. Dafür tragen die Eltern, die eigentlich schützen sollten, die Verantwortung, die sie plötzlich nicht mehr übernehmen können.

Scheidung

Eine wichtige Ursache für das Einstürzen des Elternhauses ist die Scheidung. Heutzutage ist es ganz normal, dass Eltern sich scheiden lassen. Dennoch ist das für die betroffenen Kinder der Super-GAU. Kinder wollen, dass die Eltern zusammenbleiben. Es ist gar nicht selten, dass Kinder sich die Schuld für das Scheitern der Ehe geben. Und sie versuchen alles, um diesen vermeintlichen Fehler wieder gut zu machen. Die perfekte Familie gibt es nicht. Und es kostet viel Kraft, eine Familie zusammen zu halten.

Oft scheint das nach ein paar Jahren nicht mehr möglich zu sein und Eltern kommen zu dem Entschluss, dass es besser sei, sich zu trennen. Besser für die Eltern. Aber wie kann es gelingen, dass Kinder nicht zu Opfern dieser Entscheidung werden? Was wird aus dem Kinderrecht auf „Beteiligung an Entscheidungen, die sie betreffen“ oder das „Recht auf Meinungsfreiheit“? Plötzlich stehen die Interessen des Kindes denen der Eltern unversöhnlich gegenüber.

Die Forderung des Kindes ist unmissverständlich: Zusammen bleiben. Denn Eltern sind niemals ersetzbar, auch wenn mancher Vater oder manche Mutter das glaubt.

Das Dilemma von Eltern ist vielschichtiger: Man verlässt den anderen, weil man vieles an ihm nicht mehr erträgt. Aber das Kind ist Teil von beiden: Von Vater und von Mutter. Und das Kind erinnert an den Partner, den man nun nicht mehr mag.

Und dennoch muss man das gemeinsame Kind mögen, wenn man ihm trotz Scheidung gute Entwicklungschancen erhalten will, wenn man lange Phasen von Schmerz, Trauer, Angst, Wut, Verwirrung, Depression und ein Gefühl von Wertlosigkeit beim Kind verhindern will. Wie schaffen Eltern es, dem Kind während und nach der Trennung dasselbe Maß an Geborgenheit und Liebe zu vermitteln wie vorher und niemals den Ex-Partner vor dem Kind abzuwerten? Komplizierte Erwachsene mit komplizierten Problemen sind Kindern keine Hilfestellung in der komplizierten Welt.

Ein großer Rückhalt für Kinder wären Erwachsene, die sich früh mit der Tatsache auseinandersetzten, dass der Traum vom ewigen Kleinfamilienglück platzen kann. Wenn Erwachsene realisieren, dass sie nach einer Trennung nur dann ein guter Vater oder eine gute Mutter für das Kind bleiben können, wenn sie den ehemaligen Partner weiterhin wertschätzen. Nur so hat das Kind eine Chance, in Vertrauen heranzuwachsen. 
 

Das Stück

DU, DU & ICH zeigt die Welt des Kindes Frederike. Die Zuschauer sehen die Familienkonflikte aus dem Blickwinkel der Tochter. Die Konflikte sind sofort erkennbar. Die Bühne sieht zwar aus wie eine Wohntorte. Sehr chic. Sehr bunt. Sehr knuffig. Es könnte hier sehr schön sein. Aber der Schein trügt. In Frederikes Augen sind die Zustände zuhause unerträglich. Denn die Eltern reden über die Tochter statt mit ihr. Sie streiten miteinander, machen sich Vorwürfe und benehmen sich, als ob Frederike gar nicht existiere. Sie muss zu drastischen Mitteln greifen. 

„Wenn ich es wirklich nicht mehr aushalte, dann mache ich einfach die Musik in meinem Kopf lauter.“ Diese Feststellung ist wörtlich zu nehmen. Frederike hat ein zweites Ich auf der Bühne, und dieses zweite Ich spricht nicht. Es spielt Schlagzeug. Ziemlich laut. Ziemlich wütend. Manchmal. Und manchmal auch ganz leise und vorsichtig.

Frederike spricht nicht mehr, weil anstelle von Geborgenheit in der Familie Streit und gegenseitige Vorwürfe herrschen. Was die Eltern von der Tochter verlangen, ist eine Zumutung. „Sie muss Verständnis dafür haben, dass wir auch unsere Freiräume brauchen. Sie muss lernen zu akzeptieren, dass große Menschen nun mal nicht immer zusammen bleiben.“ 

Dagegen wehrt sie sich. Sie verweigert das Essen, schlägt sich gegen den Kopf, und sie spricht nicht mehr. Das sind ihre Möglichkeiten zu protestieren, Hilfe zu rufen. Aber die Eltern verstehen sie nicht. Sie halten sie für auffällig, unnormal, bockig, krank. Ja, Frederike ist krank: Elternkrank, scheidungskrank, familienkrank. Es dauert lange, bis die Eltern erkennen, dass sie die Ursache für Frederikes „Krankheiten“ sind.

Wunsch-Träume

Frederike verfügt über Schutzmechanismen, um der stressigen Familiensituation nicht machtlos ausgeliefert zu sein. Die Tatsache, dass sie eintauchen kann in ihre Traumwelt, ist oft Rettung für sie. Diese Träume sind manchmal verklärt. Zum Beispiel wenn sie sich daran erinnert, wie ihre Eltern sich kennen lernten, wie sie geheiratet und eine „Flitterreise“ gemacht haben. In diesen Träumen ist die Welt heil und glücklich und tröstlich. Denn wenn die Welt nicht so ist, wie man sie sich wünscht, träumt man sich eine andere, eine bessere. Und das hilft.

Andere Träume sind sehr konkrete Vorgänge und keine rosa Wolkengebilde. Wie würden die Eltern reagieren, wenn Frederike tot wäre? Dann würde ihnen Leid tun, was sie der Tochter angetan haben, und dann würde alles wieder gut werden. Mit ihren Träumen kann sich Frederike eine eigene Wirklichkeit erschaffen, und dadurch Erklärungen für das Verhalten ihrer Eltern finden: „Sie hat schon ein paar Monate lang gezittert, und heute Morgen beim Kämmen fielen lauter Flocken aus ihrem Haar, und gleichzeitig wurde sie überall eiskalt und steif“. Wie man das Herz der eigenen Mutter vom Eis befreien kann, auch dabei können Träume hilfreich sein.

Happy End

Das Stück geht gut aus. Ohne Kitsch. Frederike schafft es, von den Eltern wahrgenommen zu werden. Zum ersten Mal fragen sie die Tochter, was sie denn wolle. Und Frederike kann es ganz genau beantworten. Sie will, dass die beiden weiter Papa und Mama bleiben. Das können die Eltern fest und ehrlich versprechen, auch wenn sie nicht mehr unter einem Dach leben. Sie trennen sich, aber sie trennen sich nicht von ihrem Kind. Frederike wird nicht von ihren Eltern verlassen.

Theo Fransz

Der Autor wurde in Holland geboren. Er arbeitet seit vielen Jahren als Schauspieler für Fernsehen, Radio und Theater. 1984 gründete er eine freie Gruppe, die ausschließlich für Jugendliche spielte. Er schrieb viele eigene Stücke und Klassikerbearbeitungen. Inzwischen arbeitet er freiberuflich als Schauspieler, Autor und Regisseur sowohl in Holland wie in Deutschland.

Jule Ronstedt

Die Regisseurin ist am Ammersee aufgewachsen. Sie begann ihre Laufbahn als Schauspielerin an den Münchner Kammerspielen. Inzwischen ist sie vor allem in Filmen zu sehen. In den Drehpausen inszeniert sie. DU, DU & ICH ist ihre dritte Regiearbeit an der SCHAUBURG. Ihr gelingt es auf wunderbare Weise, von ernsten Themen wie Übergewicht (FLUSSPFERDE), Armut (SÜDSEEKELLER) oder Scheidung so zu erzählen, dass sich Heiterkeit, Zuversicht und Mut beim Publikum einstellen.