Seiten, die auf Hasenmut! verweisen

Nach einer Erzählung von Ariel Dorfman

Regie
Ted Keijser
Bühne und Kostüme
Laura de Josselin de Jong
Musikalische Leitung
Toni Matheis
Es spielen
Sabrina Khalil, Berit Menze, Armin Schlagwein, Klaas Schramm, Florian Stadler

Dauer

70 Minuten

Alter

Ab 7 Jahren

Premiere

31. Oktober 2003

nach Ariel DorfmanFriedlich ist das Leben im Land der Hasen bis zu jenem Zeitpunkt, als der Wolf die Macht an sich reißt. Von nun an herrschen Willkür und Gewalt. Der Wolf ordnet an, dass es keine Hasen mehr geben dürfe. Wächter und Berater sind zwar für die Einhaltung der neuen Ordnung verantwortlich, aber es gelingt ihnen nicht, die Wahrheit auszulöschen: Auf den wolfsköniglichen Fotos sind Hasenohren sichtbar, die Tochter des Fotografen bekommt immer wieder heimlich Hasengeschenke und die Vögel kreischen die Wahrheit vom Himmel herab. Der Wolf wird daraufhin immer misstrauischer und gefährlicher, doch die Hasen beweisen Mut - Hasenmut! - und stürzen den Tyrannen.

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Hasenmut

Was versteht man unter HASENMUT? Im Wörterbuch ist dieser Begriff nicht zu finden. "Hasenfuß" ist ein Wort, das jeder kennt. So beschreibt man einen Feigling, einen Drückeberger. Ein anderes bekanntes Wort ist der "Angsthase". Aber HASENMUT? Bei Mut denkt man an den Löwen, aber niemals an einen Hasen. Stimmt.

Das Wort, das unserem Stück den Titel gegeben hat, ist eine Wortschöpfung, die wir während der Bearbeitung des Kinderbuches von Ariel Dorfman kreiert haben. Eben weil HASENMUT etwas ist, was es gar nicht gibt. Und doch beweisen die Hasen in dieser Tierfabel das, was wir nun HASENMUT nennen.

PS.: Das vergriffene Kinderbuch von Ariel Dorfman, das für uns Ausgangspunkt unserer Bearbeitung war, hieß im Englischen „’The Rabbits’ Rebellion“. Das lässt doch eher an HASENMUT denken als der deutsche Buchtitel "Der Aufstand der Zauberhasen."

Die Geschichte

Beschaulich ist das Leben im Land der Hasen. Jedoch hat die Sorglosigkeit ein jähes Ende, als der Wolf die Macht an sich reißt. Freiheit und persönliche Unabhängigkeit werden Zug um Zug beschnitten. Hofschranzen und Speichellecker aus Wolfs Umgebung machen ihn zum König. Dadurch bekommt er die Vollmacht anzuordnen, dass es ab sofort keine Hasen mehr gebe! Ihre Existenz soll ausradiert werden! Man darf Hasen nicht abbilden! Man darf nicht über sie schreiben! Und die Hasen selbst dürfen sich nicht mehr blicken lassen! Gerade glaubt Wolf, seine Gegner endgültig besiegt zu haben, als die Vögel zum ersten Mal wagen, die Wahrheit auszusprechen. Aus luftiger Höhe von oben können sie erkennen, was Wolf in seinem abgeriegelten Palast nicht sieht: Die Hasen halten zwar still, aber sie existieren.

Und heimlich des Nachts bringen sie der Tochter des Fotografen, einem Affen, kleine Geschenke. Darüber freut sie sich, denn die Hasen vertreiben böse Träume. Ihr Vater ist kein mutiger Mann. Er ängstigt sich schrecklich über diese verräterischen Geschenke, die ihn und seine Tochter in Gefahr bringen. Er befiehlt, sie im Wald zu verstecken, damit sie bei Kontrollen nicht mit diesen Hasenbeweis-Stücken in Verbindung gebracht werden können.

Unfreiwillig erhält er den Auftrag, den königlichen Wolf zu fotografieren. Als er die Bilder entwickelt, sind lauter Hasenohren zu erkennen. Die Hasen lassen sich nicht verleugnen. Was wahr ist, ist wahr. Auch wenn Wolf es nicht wahrhaben will. Allmählich merkt die Tochter, dass ihr Vater durch die Fotos in Gefahr gerät. Sie bekommt Albträume, in denen sie durchlebt, was ihrem Vater alles passieren könnte. Und die Vögel vermelden zunehmend mutiger aus ihrer Perspektive, was sie sehen: die Wahrheit.
Immer brutaler klammert Wolf sich an die Macht. Kein Blatt kann mehr vom Baum fallen, ohne dass er davon Kenntnis erhält. Die Untaten müssen mit immer neuen Verbrechen zugedeckt werden. Wie alle Diktatoren strebt er die vollkommene Macht an, zum Schutz vor den bösen Geistern, die er selber entfesselt hat. Die Schmeichler und Berater des Hofes geben ihm das Gefühl der Sicherheit.

Aber die ist trügerisch. Denn das Mädchen, ihr ängstlicher Vater und die Hasen entwickeln Mut – Hasenmut. Der Wolf wird gestürzt. Aber der Berater kann entkommen ...
 

Die Inszenierung

"Wie findet man eine Sprache, die politisch und doch nicht propagandistisch ist, wie erzählt man eine Geschichte, die beides ist, leicht verständlich und vieldeutig." (Ariel Dorfman)

Keine Angst. Das Thema der Vorstellung ist ernst, die Aufführung dennoch leicht, mutmachend und vergnüglich. Ariel Dorfman hat in seiner Fabel Tieren Vernunft und Sprache gegeben und sie dadurch zu einem Spiegelbild der Menschen gemacht. Das tut er für Kinder ebenso ernsthaft wie in seinem gesamten schriftstellerischen Werk. Aber die Fabelform ermöglicht ihm, Willkür und Lebensklugheit in verdichteter, bildhafter und spielerischer Form vorzuführen.

Dem folgt die Inszenierung von Ted Keijser ebenso wie die Ausstattung von Laura de Josselin de Jong. (Beide haben vor einigen Jahren "Die Fürchterlichen Fünf" für die SCHAUBURG erarbeitet). Gemeinsam mit den Schauspielern wurden durch Improvisationen in Teamarbeit die Szenen entwickelt. Sie sind spielerisch oder poetisch phantasievoll, erzählen lieber mit den Mitteln des Slapsticks und der Clownsnummer vom Widerstand gegen Willkür und brauchen nur sehr wenig Sprache. Stattdessen wird mit sehr viel Musik gearbeitet.

Sind das nun Tiere mit menschlichen Eigenschaften oder Menschen mit unterschiedlich sympathischem Charakter? Abhängig von Alter, Lebenserfahrung und Phantasie darf der Zuschauer es selber entscheiden, genauso wie die Frage, in welchem Land die Geschichte angesiedelt ist: Chile? Irak? Rumänien? Jugoslawien? Ruanda? Weißrussland? Nordkorea? Hasenland?
Hasenländer gibt es viel zu viele auf der Welt, und in vielen Schulklassen sitzen Kinder, die sich nach Deutschland, Bayern, München gerettet haben, auf der Flucht vor den Wölfen der Welt.

Der Autor

Der 11. September war für Ariel Dorfman lange vor dem Anschlag auf die Twin Towers in New York ein Tag der Trauer. Als Kulturberater für Chiles demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende wurde er Zeuge des Putsches durch General Augusto Pinochet am 11. September 1973. Dorfman entging dem Tod an diesem Tag rein zufällig, weil er sich an diesem Tag mit einem Freund außerhalb des Palastes traf. Seit 30 Jahren fühlt er sich in seinem Schreiben diesem Umstand verpflichtet. "Aber ich habe mich nie als Stimme der Sprachlosen gesehen. Menschen sind nicht sprachlos. Wir sind taub, wir hören sie nicht."
Ariel Dorfman wurde die Stimme der Erinnerung, des Horrors und der Folter, die Stimme derjenigen, die verschwanden, weil man nicht mal "trauern kann um diejenigen , die nicht tot sind."

Der Autor wurde 1942 in Buenos Aires geboren. Seine Eltern waren russische Juden, die als Kinder nach Argentinien gekommen waren. Als Kommunisten mussten sie vor der argentinischen Diktatur 1943 fliehen. In New York wurde der Vater Mitglied im UN Council for Economic Development. Dort wuchs Ariel Dorfman englischsprachig auf. Während der McCarthy-Zeit flohen die Eltern mit der Familie nach Chile (1954). Der Sohn lernte wieder Spanisch, las gleichzeitig Hemingway und Shakespeare und schrieb die ersten Geschichten auf Englisch. Er bekam einen Studienplatz in New York, entschied sich dennoch 1960 für die Universität von Santiago.

Die Allende-Jahre zwischen 1970 und 1973 empfand er als die glücklichsten seines Lebens. "Zum erstenmal fühlte ich mich vollkommen zuhause. Ein ganzes Volk kam aus dem Exil zurück. Wir glaubten, alles sei möglich." Und er fügte hinzu: "Schon als Kind gab ich mir die Schuld für alles Leid, das ich nicht ändern konnte. Mein Herz litt unter Ungerechtigkeit. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ich damit etwas machen konnte."

Nach dem Putsch in Chile lebte er einige Jahre in Europa, ehe er doch wieder in die USA ging. Heute lebt er in Santiago und Durham, North Carolina, wo er als Professor für Literatur und Lateinamerikanistik lehrte. Seine Romane und Gedichte sind in 20 Sprachen übersetzt, seine Kolumnen in der "New York Times" haben ihn zu einem der bekanntesten lateinamerikanischen Schriftsteller in den Vereinigten Staaten gemacht. Sein berühmtestes Stück, "Der Tod und das Mädchen" wurde nicht nur als Bühnenstück weltberühmt sondern auch in der Verfilmung durch Roman Polanski mit Sigourney Weaver und Ben Kingsley.